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„Gib der Frau die Hand….“ (2007)

von Martin Stöhr

Ansprache zur Verleihung des Julius-Rumpf-Preise 2007 an FIM – „Frauenrecht ist Menschenrecht“ am 25.08.2007 im Musiksaal des Hessischen Landtags 

Vor genau 170 Jahren kommt es in Göttingen zu einer Abschiebung nach Hessen. Sieben Professoren werden aus der Universität Göttingen sowie aus dem Königreich Hannover ausgewiesen. Sie stehen öffentlich für Bürger- und Menschenrechte ein. Sie müssen als Anwälte der Menschlichkeit die Regierung, damals den König von Hannover, kritisieren. Er hatte die Verfassung außer Kraft gesetzt. Fast alle Sieben sitzen 1848 im Parlament der Frankfurter Paulskirche, einem der Anfänge deutscher Demokratie. Sie hatten mit Zivilcourage schon 1837 die Freiheiten und Grundrechte einer demokratischen Verfassung sehr viel ernster genommen als es Regierung und Behörden taten. So ein „Avantgardismus“, frei übersetzt: eine Haltung, die „früher (als Andere, vor allen anderen) wachsam“ ist, kommt vor – glücklicherweise. Mit „Frauenrecht ist Menschenrecht“ ehren wir heute zu Recht eine Initiative, die „avantgardistisch“ seit über 25 Jahren realisiert, was ihr Name sagt. Wir drücken mit einem kleinen Zeichen unseren grossen Dank aus.  (mehr …)

Kritische Bedachtsamkeit als Kompass

von Ingrid Rumpf

Ansprache zur Verleihung des Julius-Rumpf-Preise 2005 an die „Aktion Zivilcourage Pirna“ 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde von der „Aktion Zivilcourage“!

Als Vertreterin der Stifter des Julius-Rumpf-Preises will ich mich in dieser kleinen Ansprache vor allem an Euch wenden, die Ihr Euch dafür engagiert, Jugendliche für Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz zu gewinnen. Die beiden  Erlebnisse, die ich zu Beginn skizzieren möchte, können vielleicht zu diesem Thema etwas beitragen:

Erste Episode:

Es war im Sommer 1944 in der Zwergschule eines ostpreußischen Dorfes. Wir Grundschulkinder – alle zwischen 6 und 9 Jahre alt – hörten uns eine wichtige Mitteilung unseres Lehrers an. Er erklärte, dass in den nächsten Tagen „Polackenweiber“ (d.h. polnische Zwangsarbeiterinnen) ins Dorf  kämen, um dort Erdarbeiten zu verrichten. Wir dürften uns auf gar keinen Fall mit ihnen einlassen, warnte er uns, denn – so wörtlich – „Sie sind dreckig und verlaust“ und „sie lügen und klauen“.  (mehr …)

„Wachsam an der ganz privaten, kleinen Front“ (2005)

von Sebastian Krumbiegel

Sebastian Krumbiegel von der Gruppe „Die Prinzen“ hielt die Laudatio bei der Verleihung des Julius-Rumpf-Preises 2005 an die „Aktion Zivilcourage Pirna“ 

ich bin in leipzig geboren, in sachsen, dem bundesland, in dem die rechtsextreme NPD im landtag sitzt.

manchmal merke ich, wie mich ein gefühl der scham beschleicht, wenn ich darüber nachdenke, und ich frage mich, wie es soweit kommen konnte.

lange zeit wurde das thema „rechtsradikalismus in deutschland“ verharmlost und totgeschwiegen,

lange wurden rechtsradikale übergriffe als „schlägereien unter jugendlichen“ abgetan,

lange zeit haben zu viele leute weggeschaut oder sogar zugesehen, wenn dinge passiert sind, die nie mehr hätten passieren dürfen in diesem, unserem land, das genau durch  diese fatale ideologie die welt in die größte katastrophe geführt hat. (mehr …)

„Sie tragen die Last der Hoffnungen“ (2004)

Von Rupert Neudeck

Rupert Neudeck

Laudatio für das „Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm“

am 24. April 2004 in Wiesbaden 

 

Eine Welt, in der Marter, Zerstörung und Tod triumphieren, kann nicht bestehen, das ist offenbar. Aber es schert sich der Sadist nicht um den Fortbestand der Welt. Im Gegenteil: Er will diese Welt aufheben, und er will in der Negation des Mitmenschen, der für ihn auch in einem ganz bestimmten Sinne die „Hölle“ ist, seine eigene totale Souveränität wirklich machen.

„Solcherart wird die Folter zur totalen Umstülpung der Sozialwelt. In dieser können wir ja nur leben, wenn wir auch dem Mitmenschen das Leben gewähren, die Ausdehnungslust unseres Ichs zügeln, sein Leiden lindern. In der Welt der Tortur aber besteht der Mensch nur dadurch, daß er den anderen vor sich zuschanden macht.“

Ich zitiere hier denjenigen, über den ich von der Realität der Folter zuallererst gehört und gelernt habe, bevor ich sie selbst an Menschen wahrnehmen konnte in der Realität von Raum und Zeit. Jean Amery war gefoltert worden. In Breendonk in Belgien – nachdem er im Juli 1943 dort von der Gestapo verhaftet wurde. Wegen der Flugzettel-Affäre. Die Gruppe, der er, Amery, angehörte, war eine kleine deutschsprachige Organisation innerhalb der belgischen Widerstandsbewegung. Diese Gruppe bemühte sich um Propaganda unter den Angehörigen der deutschen Besatzungsmacht. Von dieser Propaganda bildeten sich diese Resistants ein, es können die Deutschen vom grausamen Wahnwitz Hitlers und seines Krieges überzeugen.  (mehr …)

„Erst der handelnde Mensch verleiht der Welt Sinn“ (2004)

von Eberhard Rumpf

Dr. Eberhard Rumpf, hier im Gespräch mit Dr. Uta Klee (BFU) und Dr. Rupert NeudeckRede anlässlich der Verleihung Julius-Rumpf-Preis 2004 an das Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm (BFU) am 24.4.2004  Foto: Dr. Eberhard Rumpf, hier im Gespräch mit Dr. Uta Klee (BFU) und Dr. Rupert Neudeck

Wir würdigen heute die Mitarbeiter einer Einrichtung, die ihre Kraft und ihr Engagement der Betreuung von Flüchtlingen aus Kriegs- und Terrorgebieten und insbesondere der Behandlung von Folteropfern widmen. Mit dieser sachlichen Aussage ist rational ziemlich klar, was gemeint ist. Aber wenn jemand noch nicht direkt mit solchen Gewaltopfern zu tun hatte, dann gibt es eine große Schwierigkeit sich vorzustellen, was dieser Satz umfasst. Denn es ist eigentlich unvorstellbar. Und das hat Auswirkungen.

1951 schrieb der Philosoph, Schriftsteller, Journalist und Literatur-Nobelpreisträger Albert Camus bei seinem „Versuch meine Zeit zu verstehen“ von der zurückliegenden Epoche, die in 50 Jahren 70 Millionen Menschen entwurzelt, versklavt oder getötet hat. 1951 hörte dieser Teil der Geschichte aber nicht auf. Ich nenne in unvollständiger Auswahl nur Orte des Geschehens: Algerien, Kongo, Vietnam, Angola,  Äthiopien, Afghanistan, Tibet, Pakistan, Indien, Ruanda, nochmals Kongo, Kambodscha, Afghanistan, das ehemalige Jugoslawien, Tschetschenien, Israel und Palästina.  (mehr …)

„Ehre, wem Ehre gebührt“ (2003)

von Reinhard Höppner, Ministerpräsident a.D.

Reinhard Höppner

Rede anlässlich der Verleihung des Julius-Rumpf-Preises an den Verein Miteinander e.V. am 14.11.2003 in Magdeburg 

Heute geht es um die Ehre. Und das in verschiedener Hinsicht. Zunächst: Ein Preis ist zu vergeben. Ein Preisträger zu ehren. Ich habe gelernt: Jemanden ehren heißt, ihm den Platz einzuräumen, der ihm gebührt. Das ist nicht so selbstverständlich in unserer Welt, wie man annehmen möchte. Wie vielen Menschen auf unserer Erde und in unserem Land wird der menschenwürdige Platz nicht eingeräumt, der doch jedem Menschen gebührt. Menschen, abgeschoben an menschenunwürdige Orte, das gibt es überall in unserer Welt. Wir sind alle daran beteiligt, auch mit unserem Denken. Wie viele Menschen packen wir in die Schubfächer unserer Vorurteile, obwohl wir doch alle wissen, dass Menschen nicht  in Schubfächer gehören. Wenn unser Grundgesetz von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen redet, dann geht es genau darum: Jedem Menschen die Ehre zuteil werden zu lassen, die dieser Würde entspricht. Und damit sind wir schon mitten beim Thema, das die engagierten Menschen umtreibt, die den heute zu ehrenden Verein Miteinander tragen und unterstützen. Denn ihnen geht es um Menschen, deren Ehre im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten wird.  (mehr …)

Einander nicht demütigen

Von Ingrid Rumpf

Ingrid Rumpf im Gespräch mit Reinhard HöppnerRede zur Verleihung des Julius-Rumpf-Preises 2003 in Magdeburg am 14.09.2003 an den Verein „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen Anhalt e.V.“ 

Foto: Ingrid Rumpf im Gespräch mit Reinhard Höppner

Die Martin-Niemöller-Stiftung verleiht nun schon zum vierten Mal den Julius-Rumpf-Preis an eine Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Gegenkultur der Mitmenschlichkeit aufzubauen gegen Gewaltbereitschaft und Ausgrenzung. Als wir uns im Kuratorium der Stiftung für diesen Verein als Preisträger entschieden haben, wollten wir nicht nur eine finanzielle Lücke schließen, sondern auch ein gesellschaftspolitisches Zeichen setzen. Die Preisverleihung soll die zivilgesellschaftliche Bedeutung seiner Arbeit hervorheben und damit die politischen Entscheidungsträger in Sachsen-Anhalt vor die Frage stellen, ob sie nicht die drastische Kürzung der Mittel für den Verein noch einmal überdenken wollen; ja, sie versteht sich geradezu als eine dringende Bitte, die Fortsetzung der Arbeit zu ermöglichen. Deshalb wird mein Redebeitrag zu diesem Festakt den Schwerpunkt auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung solcher Aktivitäten legen.  (mehr …)

Am Anfang war die Angst

Von Eberhard Rumpf

Dr.med. Eberhard Rumpf, li: Ingrid RumpfAnlässlich der Verleihung des 3. Julius Rumpf-Preis 2002 an das „Netzwerk Sachsen“ im Rathaus Dresden am 30.11.2002 sprach Dr. Eberhard Rumpf im zweiten Teil seiner Rede über die Angst als Auslöser und Ziel rechtsextremistischer Gewalt. Foto: Dr.med. Eberhard Rumpf, li: Ingrid Rumpf

„(…..) In der Präambel der Julius-Rumpf-Stiftung steht u. a.: „Im Zentrum der Botschaft Jesu stehen das Liebes- und Versöhnungsgebot, die Gewaltlosigkeit und das Erbarmen mit den Schwachen, Leidenden und Ausgegrenzten.“ Das Wort Erbarmen ist unvertraut geworden. Die Worte Solidarität oder Brüderlichkeit, auch aus der Mode gekommen, kommen dem Gemeinten am nächsten. Zielscheibe und Opfer rechter Gewalt sind Ausländer bestimmter Herkunft (es heißt zwar „Ausländer raus“, aber gemeint sind längst nicht alle Nationalitäten), nämlich diejenigen, die am leichtesten als „Fremde“ zu etikettieren sind; dann natürlich Juden, aber auch Arbeitslose und so genannte „Linke“, schließlich sogar Jugendliche, die einfach nur die falsche Hose tragen oder sonstwie falsch aussehen. Entweder sind diese Personen oder Gruppen schon Schwache, Leidende und Ausgegrenzte, oder sie werden es durch die rechte Gewalttätigkeit. Spätestens dann beherrscht Angst die Opfer: wenn sie bedroht, gejagt, angegriffen und misshandelt werden. Und die Angst soll herrschen; das ist eine der beiden zentralen Absichten der Täter; die andere ist Zerstörung. Angst soll auch bei allen anderen entstehen, die nicht zur Täterwelt gehören; und sie entsteht immer. Diese Wirkung von Gewalt funktioniert absolut sicher. Deswegen lässt sich damit so gut drohen und gefügig machen.  (mehr …)

Fürchte dich vor den Gleichgültigen

Von Wolf Dähne

Aus Anlass der Verleihung des Julius-Rumpf-Preises durch die Martin-Niemöller-Stiftung hielt Superintendent Wolf Dähne, Präsident des Netzwerks Sachsen gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit e.V. eine Dankansprache. 

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Sehr verehrte Damen und Herren der Martin-Niemöller-Stiftung und der Familie Rumpf, liebe Gäste,

ich habe Dank zu sagen.

Es bewegt, einen Preis verliehen zu bekommen, der mit den Namen Martin Niemöller und Julius Rumpf verbunden ist.

Als verantwortungsbewussten Christen und aufrechten Bürgern ist deren Lebensmaxime eng mit dem Gedanken rückhaltlosen Engagements gegen Unrecht und Ungeist verbunden. Sie gehörten zu jenen Menschen, die getragen waren von einem unbeirrbaren und zu entschiedenen Taten führenden christlichen Glauben. Dieser Glaube ließ sie mutig Stand halten in einer dunklen Epoche unserer deutschen Geschichte.

Und diese Geschichte, so scheint es, droht uns immer wieder einzuholen mit hässlichen Parolen und bösartigen Gewaltakten – und im Hintergrund Demagogen, die kaum in Erscheinung treten, aber mit deren düster-gestrigem Weltbild sie Einfluss auf die Hirne und Herzen junger Menschen zu gewinnen suchen und sie so für ihre Interessen instrumentalisieren.

Im Märchen wird erzählt: Die junge Königin hatte Angst um ihr Kind, weil ein böser Zwerg nach seinem Leben trachtet. Der aber verliert seine Macht, als ihn die Königin beim Namen nennen kann. Rumpelstilzchen! Und damit obsiegt sie und rettet ihr Kind. (mehr …)

Bleiben Sie kritisch, unbequem, unangepasst

Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse anlässlich der Verleihung des „Julius-Rumpf-Preises“ am 7. September 2001 an den „Flüchtlingsrat Brandenburg“:

 

264100_138486442892882_6297249_n „Vor wenigen Wochen war die Stadt Guben wieder in aller Munde – diesmal allerdings nicht aus ähnlich schrecklichem Anlass wie 1999, als dort der algerische Asylbewerber Farid Guenduol von Rechtsextremisten zu Tode gehetzt wurde. Nein, diesmal gab es gute Nachrichten aus Guben: Die von der Abschiebung bedrohte, zeitweise im Kirchenasyl lebende vietnamesische Familie Nguyen erhielt letztlich doch die Aufenthaltserlaubnis – vor allem wegen der großen, öffentlichen Unterstützung vieler Gubener Bürgerinnen und Bürger.

Auch wenn die Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis – ausländerrechtlich gesehen – ein Sonderfall ist, kann von dem Beispiel Signalwirkung ausgehen. Schließlich hat sich hier gezeigt, wie viel bürgerschaftliches Engagement bewegen kann, wie angeblich Unmögliches doch möglich wird, wenn die Politik durch Unterschriftensammlungen, durch den Einsatz der Kirche, durch die Berichterstattung der Medien aufgerüttelt wird. Ich hoffe sehr, dass der Fall Nguyen in dieser Hinsicht kein Einzelfall bleibt. (mehr …)

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