Zusammenfassung:
Wie umgehen mit einem der „wichtigsten Geschichtsorte Deutschlands“?
Die Martin-Niemöller-Stiftung legt für die weitere Auseinandersetzung um den Erinnerungs- und Gedenkort Garnisonkirche Potsdam ein Gutachten zum Nutzungskonzept vor.
Untersucht wird darin, wie die Stiftung Garnisonkirche Potsdam, der das Grundstück gehört und die dort eine Rekonstruktion des historischen Gebäudes errichten will, konzeptionell vorgeht. Im zweiten Teil wird dieses Herangehen mit anderen Erinnerungsorten verglichen, u. a. der Topographie des Terrors Berlin, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, dem NS-Dokumentationszentrum München.
Zusammenfassend werden folgende Feststellungen getroffen:
„Das aktuelle Nutzungskonzept der Stiftung Garnisonkirche Potsdam wird den Ansprüchen an diesen herausragenden Erinnerungsort nicht gerecht. Die größten Mängel des Konzeptes sind:
- Für Veranstaltungen und Ausstellungen ist kein Geld eingeplant.
- Für die Geschichtsvermittlung ist kein geeignetes Personal vorgesehen.
- Die geplanten Räumlichkeiten sind für eine anspruchsvolle Geschichtsvermittlung zu knapp bemessen. Vor allem die Ausstellungsräume sind zu klein.
- Es fehlt ein Wissenschaftlicher Beirat, der ein hohes wissenschaftliches Niveau der Arbeit sichern kann.
- Das inhaltliche Konzept ist sehr vage und teilweise missverständlich, es bietet deshalb viel Raum für einen Missbrauch dieses Gebäudes für geschichtsrevisionistische Ziele.“ (S. 16)
Drei Folgerungen werden daraus abgeleitet:
„Nötig ist eine breite Diskussion über die Geschichtsvermittlung an diesem Ort und über die Schwerpunkte, die gesetzt werden sollen.“
„Nötig ist ein Neustart, bei dem insbesondere die politischen Parteien, die Parlamente und die Kirche in ihren verantwortlichen Gliederungen sich selbst umfassender einbinden.“
„Nötig ist zudem die Einbindung bisher fehlender, schwach vertretener oder abgewiesener Akteursgruppen aus Wissenschaft, Theologie, Erinnerungsarbeit, Zivilgesellschaft und Stadtbevölkerung.“ (S. 17)
Erstellt wurde das Gutachten von einer internen Projektgruppe der Martin-Niemöller-Stiftung. Ihr gehören zwei Theologen an, Hermann Düringer und Hans Misselwitz, zwei Organisationsentwicklerinnen, Christine Madelung und Gerd Bauz, und die Geschäftsführerin der Niemöller-Stiftung, Claudia Sievers. Gerd Bauz ist Mitglied des Vorstands.
Das Gutachten wurde den Bundesvorständen der im Bundestag vertretenen Parteien, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, einem breiten Kreis weiterer beteiligter Akteure und selbstverständlich der kritisierten Stiftung zugestellt.
Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien, erhielt das Gutachten, weil sie über Bundeszuschüsse in Höhe von 12 Millionen € mit zu entscheiden hat.
Im Zusammenhang mit dem beginnenden Evangelischen Kirchentag erhielten das Gutachten die Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ und kirchliche Friedensgruppierungen. Schließlich ging das Gutachten an örtliche Bürgervereinigungen in Potsdam.
Wiesbaden, 23. Mai 2017 Claudia Sievers, Geschäftsführerin