Friedenstüchtig werden, mehr als kriegstüchtig – darum ging es in der ersten Tagung, die die Martin-Niemöller-Stiftung und der Dietrich-Bonhoeffer-Verein nach ihrer Vereinigung gemeinsam veranstalteten. Knapp 100 Interessierte trafen sich im Evangelischen Augustiner-Kloster in Erfurt vom 7. bis 9. März 2025.
Aktueller hätte es dort nicht zugehen können. Denn nur Tage zuvor hatte sich die angehende Bundesregierung das Ziel gesetzt, in unbegrenzter finanzieller Höhe aufzurüsten. Damit will sie die Ukraine auch ohne Hilfe der USA wirkungsvoll unterstützen und die eigene Landesverteidigung sicherstellen.

Auf der Tagung beschrieb der Politikwissenschaftler Hajo Funke Wege zum Frieden aus politischer Sicht. Auf die erheblichen ökologischen Folgen der massiven Aufrüstung und des Einsatzes der Waffensysteme wies Angelika Claußen, Europa-Präsidentin der Ärzte für den Frieden (IPPNV), hin.
Wolfgang Gern, Pfarrer und ehemals Diakonie-Leiter und Sprecher der Deutschen Armutskonferenz, entfaltete die wegweisenden Friedensimpulse aus Ökumenischen Bewegung. Der Dreiklang „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ denke bereits seit 1988 zusammen, was heute in der gesellschaftlichen Debatte noch besser zusammenfinden müsse.
Der Theologe und Sozialwissenschaftler Franz Segbers warnte, die massive Aufrüstung auf Schuldenbasis werde erhebliche Einschnitte in die Sozialsysteme und eine Gefährdung des sozialen Friedens nach sich ziehen. Margot Käßmann erinnerte an die Grundlinien der christlichen Gewaltfreiheit und kritisierte eine militarisierte Sprache, die Feinbilder schaffe wo eigentlich vertrauensbildende Maßnahmen nötig seien. Die Tagung machte deutlich: Friedenspolitik, Sozialpolitik und Umweltpolitik gehören zusammen.
Die vier Referate werden im Wortlaut hier eingestellt, sobald sie vorliegen.
Zitate der Referierenden
Angelika Claußen
„Im Falle eines Atomkriegs erleiden in kürzester Zeit so viele Menschen schwere Verbrennungen, dass ihnen kein medizinisches System helfen kann. Ein nur begrenzter Atomkrieg (100x Hiroshima) würde schon 2 Milliarden Hungertote nach sich ziehen. Wir müssen Widerstand gegen falsche Sicherheitsversprechen leisten.“
„Die Bewegungen für Frieden, Umwelt und Gerechtigkeit müssen zusammenfinden, denn Frieden, Ökologie und soziale Gerechtigkeit gehören zusammen.“
„Russland ist in Sachen Klimaschutz bislang komplett untätig – ein großer fossiler Staat mit einem enormen CO2-Ausstoß.“
Wolfgang Gern
„Was meist nicht gesagt wird: Es geht in allen aktuellen Konflikten um Bodenschätze. Früher war es das Öl, jetzt geht es um die letzten Rohstoffe für die Digitalisierung.“
„Wo der Geist eine Heimat hat, kann das Geld zum Segen werden.“
„Wir wollen nicht, dass die EU nun versucht eine Supermacht zu werden. Wir träumen von einem europäischen Haus, in dem Russland und die Ukraine ihren festen Platz haben.“
Margot Käßmann
„Die Menschheit darf sich nicht in die Verantwortungslosigkeit hineinschläfern lassen.“
Wir erleben eine Militarisierung unserer Sprache. Immer öfter höre ich Worte wie kriegstüchtig, tapfer, Blutzoll, Bollwerk …“
„Die Kirchen sind immer dann in die Irre gegangen, wenn sie Kriege legitimiert und Waffen gesegnet haben.“
„Von Jesus lernen wir: Lasst euch nicht in Feindbilder hineintreiben. Wir müssen den Kreislauf der Gewalt durchbrechen. Dafür ist mehr Kreativität nötig als bisher geschehen.“
Hajo Funke
„Der strategische Pazifismus ist nicht naiv, sondern realistisch und Macht-gestützt.“
„Der Westen hat leider mehrere Chancen, für die Ukraine Frieden zu verhandeln, nicht genutzt. Dazu gehören die Vertragsentwürfe von Istanbul und Minsk II. Die Ukraine wurde von England sogar ausdrücklich ermuntert den Krieg fortzuführen um Russland zu schwächen.“
„Es ist nicht zu rechtfertigen einen Krieg fortzuführen, von dem beide Seiten wissen, dass sie ihn nicht gewinnen können. Die Perspektive muss weg vom Gewinnen und hin um Verhandeln gehen.“
So unmöglich Präsident Trump als Mensch auch agiert – er hat einen Punkt: Er spricht mit Putin. Das hat in den drei Kriegsjahren bisher niemand getan. Ich habe die begrenzte Hoffnung, dass daraus Frieden entsteht und die massive Aufrüstung verhindert werden kann.“
Franz Segbers
„Sondervermögen und Staatschulden bedeuten eine gigantische Umverteilung zugunsten der Vermögenden, von denen das Geld stammt, zulasten der breiten Bevölkerung und der kommenden Generationen, die die Zinsen dafür aufbringen müssen.“
„Alleine die Zinsen für das schon beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr sind teurer als es die Kosten für das ursprüngliche 9-Euro-Ticket waren.“
„Die Finanzierung der Rüstung braucht eine gerechte Steuerpolitik, damit die Lasten angemessen verteilt sind. Doch stattdessen werden Sozialleistungen gekürzt. Steuern sind die Kosten für eine soziale Gesellschaft.“