Der Vorstand der Bonhoeffer-Niemöller-Stiftung nimmt die aktuelle friedensethische Denkschrift des Rats Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick“ erschüttert zur Kenntnis. Das Ziel, die Institution des Krieges aus der internationalen Politik zu entfernen, ist aufgegeben. Damit fällt das Ratspapier hinter die Charta der Vereinten Nationen und hinter den aktuellen friedensethischen Diskurs zurück.
Allen wird alles gegeben – statt einer eigenen Haltung.
Anders als die Denkschrift von 2007, die noch „einen stellvertretenden Konsens für die ganze Gesellschaft“ formulieren wollte, bescheidet sich die ‚Denkschrift‘ damit, „Orientierung“ (S.6) zu geben zur Prüfung der eigenen Position. Ehrlicherweise solle das Papier deshalb als „Handreichung“ bezeichnet werden, wie bisher in der EKD üblich.
Wir bedauern, dass selbst dieser reduzierte Anspruch einer Handreichung nicht erfüllt wird. Zu durchsichtig ist das Bemühen, allen alles und damit niemand etwas zu geben. Damit gibt es weder echte Anstöße noch ist es ein wirklicher Konsens, aber eine Bestätigung des Bestehenden, ja eine Auslieferung an die jeweilige Regierungspolitik.
Die Formel von der „rechtserhaltenden Gewalt“ rechtfertigt letztlich Gewalt
„Mit der Formel von der ‚rechtserhaltenden Gewalt‘ meint der Text einen Kniff gefunden zu haben, mit dem militärische Gewaltanwendung jetzt und künftig gerechtfertigt werden kann“, so Dr. Uwe-Karsten Plisch, Vorstandsvorsitzender der Stiftung.
Allein 24-mal erscheint diese Zauberformel im Text. Wenn es aber primär um die Erhaltung des Rechts geht, müsste ebenso nachdrücklich z. B. die Beachtung des internationalen Strafgerichtshofs gefordert werden, der von gewaltaffinen Staaten wie den USA, Russland oder Israel nicht anerkannt wird. Friedensethisch wäre aktuell zu reflektieren, ab wann ein Verteidigungskrieg völkerrechtswidrig geführt wird, wenn er nur noch Tod und Vernichtung bedeutet und wenn er nicht vom ernsten Bemühen begleitet wird, sich mit dem Feind zu verständigen.
Natürlich finden sich viele Aussagen, die wir schätzen und ernst nehmen – und die verbinden. Im Kontext des Ganzen verblassen sie in Beliebigkeit.
Krieg wird im menschlichen Wesen verankert – statt als überwindbar verstanden
Der Friedenspredigt Jesu fühlt sich das Ratspapier zwar verpflichtet, verschiebt die Hoffnung auf Frieden aber auf ein jenseits der Zeit gedachtes mythisches Reich Gottes. Gott wird es dann schon richten, solange aber die Sünde in der Welt ist, darf der Mensch weiter feste Gewalt anwenden. Damit wird der Krieg dem Wesen des Menschen zugeordnet, anthropologisiert, statt ihn als eine zu überwindende gesellschaftliche Umgangsform zu begreifen und damit als überwindbar zu verstehen.
Der Mythos der erlösenden Gewalt wird bedient – statt verworfen
Die Ächtung von Atomwaffen hält der Text zwar für ethisch geboten, politisch aber für unverantwortlich. Es gibt keinen Appell, aus dieser Logik der Massenvernichtung auszusteigen. „Die Autor:innen erliegen dem Mythos der erlösenden Gewalt und können sich nicht zwischen der Nachfolge der gelebten Friedenspraxis Jesu und einem aus der Zeit gefallenen Staatskirchentum entscheiden“, so Uwe-Karsten Plisch weiter.
Pazifismus wird zum frommen Fundamentalismus deformiert – statt ernstgenommen
Besonders empört sind wir, ost-westdeutsch verankert, über die Desavouierung der friedensstiftenden, also pazifistischen Bestrebungen in und außerhalb der Kirche. „Der Rat macht sich erst den Pazifismus als einen gesinnungsethischen Fundamentalismus zurecht, um ihn dann umso einfacher bei Seite legen zu können“, so Uwe-Karsten Plisch. Das ist nicht nur theologisch und intellektuell unredlich. Die Verniedlichung des christlichen Pazifismus als „Ausdruck gelebter Frömmigkeit“ (S. 20) beleidigt die Menschen, die friedensethisch fundiert und wissenschaftlich informiert politische Impulse für eine friedenslogisch praktikable Sicherheitspolitik geben.
Dies sei an einem Zitat belegt: „…der Einschätzung (ist) zu widersprechen, dass der Dienst ohne Waffe das deutlichere Zeichen des Christseins darstelle. Diese in der Situation einer Armee als Instrument einer Diktatur getroffene und darum sehr verständliche Feststellung, die in der Handreichung „Zum Friedensdienst der Kirche“ 1965 formuliert wurde, ist unter den Bedingungen des liberalen Rechtsstaats der Bundesrepublik und den Herausforderungen der Gegenwart nicht mehr aufrechtzuerhalten,“ (§ 177).
Dies ist eine Ohrfeige für die Bausoldaten und die gesamte christliche Friedensbewegung in der DDR, stempelt sie nachträglich zu nützlichen Idioten und relativiert zugleich für heute das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung.
„Friede auf Erden“ (Lukas 2,14), das ist kein Problem, sondern ein mit der Erscheinung Christi selbst gegebenes Gebot. Zum Gebot gibt es ein doppeltes Verhalten: den unbedingten, blinden Gehorsam der Tat oder die scheinheilige Frage der Schlange: sollte Gott gesagt haben? Diese Frage ist der Todfeind des Gehorsams, ist darum der Todfeind jeden echten Friedens. Dietrich Bonhoeffer
Kontakt: Uwe-Karsten Plisch, Mobil: 0176 520 312 87
Stellungnahmen zur Denkschrift

„Aufrüstung tötet auch ohne Krieg“
Stellungnahme der „Initiative Christlicher Friedensruf Hannover“
Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick
Ein Kommentar aus christlich-pazifistischer Sicht von Theodor Ziegler
Gerät der Friede aus dem Blick?
Erwiderung der Initiative Christlicher Friedensruf auf die EKD-Friedensdenkschrift 2025
Kriegsdienst ist Nächstenliebe
Die EKD verabschiedet sich aus dem friedensethischen Diskurs – Rezension von Uwe-Karsten Plisch