Was sagte Niemöller wirklich?
Wir zitieren die Version, die wir für die „klassische“ halten und die von Niemöller autorisiert wurde. Sie fiel an Ostern 1976 während einer Diskussion im Gemeindesaal Kaiserslautern -Siegelbach bei Pfarrer Hans-Joachim Oeffler. In einem Gespräch mit Hannes Karnick und Wolfgang Richter („Niemöller – Was würde Jesus dazu sagen?“, Ffm 1986) führt Niemöller dazu aus:
„Wann ist denn dieses Gedicht entstanden mit dem Spruch: Als sie die Kommunisten abholten, schwiegen wir…?
Das war kein Gedicht, nein. Ich hatte mal in Oefflers Gemeinde gepredigt, da war damals der Generalbischof der lutherisch-slowakischen Kirche dabei in Siegelbach bei Kaiserslautern. Da hatten wir hinterher eine Besprechung mit der Gemeinde in einem Gemeindesaal in der unmittelbaren Nähe der Kirche. Da haben die Leute n ihre Fragen gestellt und vom Leder gezogen. Und dann haben sie gefragt, ob wir denn nicht aufgewacht wären nach der Kristallnacht 1938. Und ich sage, um Gottes Willen, also fragen Sie mich nicht nach 38, ich bin 37 in die Gefangenschaft geraten und habe seitdem immer in der Einzelzelle gesessen und im übrigen, sehen Sie, als die erst mal die Kommunisten eingesperrt, und davon haben wir vielleicht gleich was gehört, ich weiß es nicht mehr, aber wir haben dagegen nicht aufbegehrt, dass die Kommunisten eingesperrt wurden, denn wir lebten ja für die Kirche und in der Kirche und die Kommunisten waren ja keine Freunde der Kirche, sondern im Gegenteil ihre erklärten Feinde, und deshalb haben wir damals geschwiegen. Und dann kamen die Gewerkschaften, und die Gewerkschaften waren auch keine Freunde der Kirche, und wir haben mit denen wenig Beziehungen oder gar keine mehr gehabt und haben gesagt, also lass die ihre Sachen selber ausfechten.
Es gab keine Niederschrift oder Kopie von dem, was ich gesagt hatte, und es kann durchaus gewesen sein, dass ich das anders formuliert habe. Aber die Idee war jedenfalls: Die Kommunisten, das haben wir noch ruhig passieren lassen; und die Gewerkschaften, das haben wir auch noch passieren lassen; und die Sozialdemokraten haben wir auch noch passieren lassen. Das war ja alles nicht unsere Angelegenheit. Die Kirche hatte ja mit Politik damals noch gar nichts zu tun, und man sollte ja damit nichts zu tun haben. Wir wollten in der Bekennenden Kirche an und für sich ja auch keinen politischen Widerstand darstellen, sondern wir wollten für die Kirche feststellen, das ist nicht recht und das darf in der Kirche nicht Recht werden, deshalb hatten wir schon 33, als wir den Pfarrernotbund gründeten, als 4. Punkt da drin: Wenn gegen Pfarrer Front gemacht wird und sie einfach ausgebootet werden als Pastoren, weil sie Judenstämmlinge oder so was gewesen sind, dann können wir als Kirche nur sagen: Nein. Und das war dann der 4. Punkt in der Verpflichtung, und das war wohl die erste contra-anti-semitische Lautwerdung aus der Evangelischen Kirche. Das ist nur das, was ich sagen kann zu dieser Geschichte mit dem: Als sie die Kommunisten einsperrten, da hat man nichts gesagt, wir waren keine Kommunisten und waren durchaus einverstanden, dass wir diese Gegner vom Halse hatten. Aber wir haben uns noch nicht verpflichtet gesehen, für Leute außerhalb der Kirche irgendetwas zu sagen, das war damals noch nicht Mode, und so weit waren wir noch nicht, dass wir uns für unser Volk verantwortlich wussten.“ (mehr …)