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„….. im Schatten der Garnisonkirche“ – Potsdamer Erklärung

2017-03Potsdamer Erklärung zur Abrüstung_19.3.2017Anläßlich der Tagung „Das Projekt Garnisonkirche – Ein Zwischenruf aus Potsdam“ am 18./19. März stellte die Martin-Niemöller-Stiftung die „Potsdamer Erklärung“ zur Sicherheitspolitik und Abrüstung vor.

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2017-03PotsdamerErklaerung

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Potsdamer Erklärung
der Martin-Niemöller-Stiftung


Herr Trump, bitte halbieren Sie den Rüstungsetat der USA!

Der amerikanische Präsident Trump plant die Anhebung des US-Rüstungshaushalts um 54 Milliarden Dollar. Das wären fast 10% des derzeitigen Budgets. Nach seinen Aussagen müssen die USA in der Lage sein, „Kriege wieder zu gewinnen“.

Präsident Trump fordert gleichzeitig die europäischen Mitglieder der Nato auf, ebenfalls ihre Militärausgaben zu erhöhen. Es gibt vorsichtig zustimmende Reaktionen auf seine Vorschläge, allerdings keinen deutlichen Widerspruch.

Im Jahr 2015 gaben die USA 640 Milliarden US-Dollar für Rüstung und Militär aus, das waren 36 % der weltweiten Rüstungsausgaben. Addiert man die Rüstungsausgaben der USA und ihrer Nato-Partner, so ergeben sich 50% der weltweiten Rüstungsausgaben, und dies seit Jahren. Der russische Militärhaushalt umfasst demgegenüber zum Beispiel rund 10% der Nato-Aufwendungen, 5% der Weltrüstungsausgaben – wobei wir wissen, dass auch mit diesen im Vergleich geringeren Militärausgaben verheerende Militäraktionen wie z.B. in der Ostukraine oder in Syrien durchgeführt werden können.

Dennoch gibt es keine militärische Sicherheitslücke für die USA, für Europa, für Deutschland. Im Gegenteil: Die militärische Komponente ist im Set der Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere gegenüber dem Terrorismus, zu hoch bewertet. Folglich fehlen notwendige Mittel für die Ursachenbekämpfung und für die polizeiliche Abwehr.

Deshalb erklärt die Martin-Niemöller-Stiftung:

Herr Trump, bitte halbieren Sie den Rüstungsetat der USA!
Mr. President, please cut the US military budget by 50%!

Deutschland und Europa haben kein Interesse daran, eine Amerika-First-Politik zu unterstützen, die die instabilen Machtverhältnisse in der Welt noch mehr ins Wanken bringt.

An die deutsche und die europäischen Regierungen richtet die Martin-Niemöller-Stiftung den dringenden Appell:

Europäer, verfolgt ein neues Konzept der gemeinsamen Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und kollektiver Sicherheit. Baut faire Handelsbeziehungen zu den Ländern der südlichen Halbkugel auf, um dort eine gerechte Entwicklung zu ermöglichen und damit zugleich die Fluchtursachen zu reduzieren.

Als Deutsche erinnern wir uns an den Kalten Krieg, die Teilung Deutschlands und Europas und an die unversöhnlichen Gegensätze, die das Leben vieler Menschen erschwerten. Wir sind nicht daran interessiert, erneut in diese Denk-Kategorien zu verfallen und danach politisch zu handeln. Als Mitagierende und zugleich Leidtragende des Kalten Krieges und der Teilung Europas sind wir speziell an einem auf niedrigem militärischen Niveau gesicherten Verhältnis zu Russland interessiert.

Wir sind daran interessiert, weiterhin nach Möglichkeiten der Abrüstung zu suchen. Wir halten es deshalb für notwendig, die noch in Deutschland stationierten atomaren Waffen der USA aus unserem Land hinaus zu befördern.

Als gebrannte Kinder zweier Weltkriege im 20. Jahrhundert, die von deutschem Boden ausgingen, sind wir überzeugt, dass Konflikte nicht militärisch gelöst werden können und dürfen.

Wir sind uns darin einig mit der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung und mit vielen verantwortlichen Politikern unseres Landes.

Deshalb werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln einer weiteren Aufrüstung in unserem Land widersetzen.

Der Weg zu diesem Ziel muss jetzt eingeschlagen werden. Er ist schrittweise zu gehen.

Dafür macht die Martin-Niemöller-Stiftung einen konkreten Sicherheits-Vorschlag:

Die Regierungen der NATO treten ein in Gespräche mit allen jenen Ländern, die dabei sind, ihre Rüstungsetats unverhältnismäßig zu erhöhen wie Russland, China und andere. Die NATO-Staaten streben mit diesen Ländern Vereinbarungen an zu wechselseitigen, kontrollierten, jährlich 5%igen Abrüstungsschritten – zu mehr Sicherheit auf niedrigerem Rüstungsniveau.

Dieser Abrüstungsweg kann ergänzt werden durch weitere Vertrauen bildende und Sicherheit gebende Maßnahmen, wie z. B. durch eine entmilitarisierte Zone auf beiden Seiten der Grenzlinie zwischen den baltischen Staaten und Polen einerseits und Russland andererseits.

Innenpolitisch wird auf diesem Weg in allen beteiligten Ländern das Senkblei der Ressourcenverschleuderung durch Militärausgaben von den Volkswirtschaften genommen und dadurch der finanzielle Spielraum erhöht für die Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit und zur Einleitung dringend notwendiger ökologischer Entwicklungen.

Im Herbst dieses Jahres sind Bundestagswahlen. Die Martin-Niemöller-Stiftung wendet sich an alle Wählerinnen und Wähler, insbesondere an die Christinnen und Christen:

Geben Sie Ihre Stimme nur Politikerinnen und Politikern, die sich verbindlich für konkrete erste Schritte der Abrüstung einsetzen!
Geben Sie Ihre Stimme niemandem, der die Rüstungsausgaben erhöhen wird.
Verlangen Sie vor der Wahl bindende Erklärungen.

Der Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung gibt diese Erklärung ab in aktueller Verantwortung und in dreifacher christlich-evangelischer Rück-Bindung (religio):

an das Wirken Martin Luthers und aller Reformatoren für die innere Freiheit und Gewissensbildung des Menschen am Ausgang des Mittelalters im 500. Jahr der Reformation,

an die Beiträge unseres Namensgebers Martin Niemöller für die bisher weitgehend friedliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland in seinem 125. Geburtsjahr,

und indem wir uns der wechselvollen deutschen Geschichte stellen im Heraustreten aus dem Irrglauben militärischer Lösungen – im Schatten der Garnisonkirche zum 84. Jahrestag des „Tags von Potsdam“ am 21. März.

 

Potsdam, den 19. März 2017  

 

Für den Vorstand

Michael Karg, Vorsitzender

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