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Niemöllers Kasseler Rede

 

NIemöllerKasseler RedeDeckblatt

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Martin Niemöllers „Kasseler Rede“ vom 25. Januar 1959 im vollen Wortlaut.
Quelle: Stimme-Verlag, Darmstadt 1959

Vorbemerkung des Verlages

Wir legen hiermit der Öffentlichkeit die Kasseler Rede von Kirchenpräsident D. Niemöller vor. Um der wortgetreuen Wiedergabe willen – die Rede wurde frei, nach Stichworten, gehalten – ist von jeder stilistischen Bearbeitung abgesehen worden.

STIMME – Verlag

Erklärung des Synodalvorstandes

Der Herr Kirchenpräsident hat dem Synodalvorstand in seiner Sitzung vom 9.2. z959 den v vollständigen Text seiner in Kassel am 25. Januar 1959 gehaltenen Rede auf Grund einer Tonbandaufnahme zur Kenntnis gebracht. Der Synodalvorstand hat den seelsorgerischen Charakter der Rede festgestellt; er ist auch im übrigen der Meinung, daß kein Grund zur Einberufung einer außerordentlichen Synode besteht. Es ist damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit die Rede in ihrem vollen Wortlaut von dem Herrn Kirchenpräsidenten veröffentlicht wird.

Frankfurt a. M., den 10. Februar 1959

gez. Dr. Wilhelmi, Präses

Vorbemerkung der Anwälte

Die Rede, die Kirchenpräsident D. Niemöller am 15.Januar d. J. in Kassel gehalten hat, wurde auf Tonband genommen. Lediglich nach den ersten fünf Sätzen weist das Tonband eine Lücke auf. Diese ist im nachstehenden Text an der gekennzeichneten Stelle von Kirchenpräsident D. Niemöller aus seiner Erinnerung ausgefüllt worden. Wir erklären, daß nachstehender Text bis auf die erwähnte und gekennzeichnete Ergänzung wörtlich mit dem Tonband übereinstimmt. Berichtigt wurden ohne Sinnveränderung lediglich vereinzelte offensichtliche Sprechfehler. Keinerlei Änderung erfolgte an den Stellen der Rede, auf welche Bundesverteidigungsminister Dr. h. c. Franz lose[ Strauß seinen Strafantrag gegen Kirchenpräsident D. Niemöller glaubt stützen zu können.

Wir halten das Tonband in Verwahr und werden es dem Gericht zu gegebener Zeit zur Verfügung stellen.

Essen, den 10. Februar 1959

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann
Rechtsanwalt und Notar

Dr. Diether Posser
Rechtsanwalt

SIE WISSEN, WAS SIE TUN!

Meine Damen und Herren, liebe Freunde!

Denn sie wissen, was sie tun. Das ist das Wort, das über dieser Feierstunde ungeschrieben stehen soll. Und ich denke, aus dem, was wir von Herrn Professor Hagemann gehört haben, bleibt die Frage quälend übrig: Wissen sie wirklich, was sie tun? Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte, die bei uns im Konzentrationslager während des Krieges erzählt wurde. Ein Vater steht mit seinem kleinen, fünfjährigen Töchterchen vor dem Globus und das Töchterchen hat einiges gehört und fragt nun an dem Globus: „Vater, wo ist Deutschland?“ Der Vater zeigt ihr Deutschland, das kleine Fleckchen auf dem Globus, und dann – auf weiteres Fragen – das englische Empire, Rußland und die Vereinigten Staaten. Darauf das Kind, ganz erstaunt: „Du, Vater, weiß denn der Führer das?“ – Ich denke, wir stehen unter einem ähnlichen Eindruck nach dem, was wir heute abend gehört haben über die Entwicklung der nuklearen Massenvernichtungsmittel: Wissen die Führer das? –  (mehr …)

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