Verleihung des Julius Rumpf-Preises an die Internationale Initiative Hochfeld e.V. am 14. Juni 2014 im Rathaus zu Duisburg
Wir sind hier heute versammelt, weil es um Menschen, um die Würde von Menschen geht; weil eine Initiative geehrt werden soll, der diese Würde in besonderer Weise am Herzen liegt.
In der Bibel heißt es (Gen 1,27): „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn“. Das gilt für alle Menschen, nicht für bestimmte Völker oder Ethnien. Die in der Gottesebenbildlichkeit gründende Würde gilt uneingeschränkt für alle Menschen – und in besonderer Weise für die, die des Schutzes und der Achtung ihrer Rechte bedürfen. „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten“ heißt es im 3. Buch Mose (19, 33 f).
Das Deutsche Grundgesetz speist sich u.a. aus christlichen Wurzeln und sagt in Art. 1 unmissverständlich: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Auch hier geht es nicht um die Würde bestimmter Menschen, sondern aller Menschen, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes leben.
Das alles wissen wir, wissen verantwortliche Politiker, die – in unterschiedlichen Parteien beheimatet – sich z.T. sehr bewusst auf die christliche Tradition beziehen, dazu stehen, sie auch praktizieren.
Umso erstaunlicher, ja unverständlicher war die Reaktion einiger, die nach Aufhebung der Visapflicht für Personen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien plötzlich vor einem einem „Strom“ von Menschen aus diesen Ländern warten, einem Strom, der Westeuropa überfluten würde. Sie warnten vor Personen, deren einzige Absicht es sei, in die deutschen Sozialsysteme einzuwandern, sie zu plündern und als Schmarotzer inmitten einer gut situierten Gesellschaft zu leben.
Als im Freistaat Bayern diese und ähnliche Befürchtungen zu einer parlamentarischen Anfrage führten, war das Ergebnis beschämend oder erheiternd, je nach Sichtweise: Gerade einmal 10 Personen wurden durch aufwendige Nachforschungen aufgetrieben, die zu Unrecht Sozialleistungen bezogen. 10 Personen für diesen großen Freistaat! Ich vermute, ohne es genau belegen zu können, dass die Zahl der Steuerhinterzieher in diesem Land größer und der von ihnen angerichtet volkswirtschaftliche Schaden bedeutend höher sein wird.
Die Befürchtung des großen „Stroms“, der Deutschland und andere Länder überfluten wird, richten sich vor allem auf die Gruppe der Roma und Sinti. Nicht nur an Stammtischen, sondern auch von hochrangigen Politkern wurde dies öffentlich geäußert – mit entsprechenden Konsequenzen für die Stimmung im Land.
Wie ist das in der Realität, auch in der Realität Duisburgs? Ist da alles Friede und Freude? Wir wissen alle, dass es anderes ist. Es gibt Probleme, in manchen Stadtteilen sogar erhebliche. Duisburg mit seiner langen Tradition von Einwanderung aus unterschiedlichen Ländern und Gebieten und dem Nachzug anderer aus diesen Gruppen, wenn die ersten sesshaft geworden sind – Duisburg hat viel Erfahrung damit und kann ein Lied davon singen, nicht erst seit den letzten zwei Jahren. Umso erstaunlicher, dass hier dennoch nicht die Rattenfänger den Ton angeben (wiewohl sie ab und zu zu hören sind), sondern bürgerliche Menschen unterschiedlicher politischer Couleur die Situation in Duisburg als Herausforderung und Aufgabe sehen und daran gehen, gezielt und nachhaltig einiges zum Besseren hin zu verändern.
Eine dieser Organisationen ist die Internationale Initiative Hochfeld, die seit 40 Jahren insbesondere für Frauen und Kinder der jeweiligen Zuwanderungsgruppen soziale Betreuung, intensive Beratung und politische Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Eine Organisation, die gegen den Mainstream einer speziell auf Roma und Sinti bezogenen antiguanischen Stimmung Fakten setzt. Wobei auch für die MitarbeiterInnen nicht immer klar ist – so wurde uns erzählt – werde von der Frauen- oder Kindergruppe Roma ist und wer nicht. Eigentlich ein gutes Zeichen, weil es nicht in erster Linie um Roma oder Nicht-Roma geht, sondern um Menschen, die in gewisser Weise Unterstützung und Begleitung brauchen.
Ich will hier nicht zu viel über die IIH sagen. Das wird nachher dankenswerterweise Jens Geier, Mitglied des EP tun. Ich möchte nur kurz der Frage nachgehen, was die Martin-Niemöller-Stiftung und der von ihr vergebene Julius-Rumpf-Preis mit einer Initiative wie der IIH zu tun hat.
Die MNS ist benannt nach Martin Niemöller, dem ehemaligen Pfarrer von Berlin Dahlem, dem Gründer des Pfarrernotbundes und wesentlichem Impulsgeber der Bekennenden Kirche; Martin Niemöller, der 1937 verhaftet und bis Ende des Krieges als Persönlicher Gefangener des Führers im KZ Dachau festgesetzt war. Ab 1947 war er Kirchenpräsident der neu gegründeten Evang. Kirche in Hessen und Nassau. Auch in dieser Position blieb er ein streitbarer Kirchenmann, ein Exempel für Wachheit und Zivilcourage, ein Mensch mit theologischem und politischem Weitblick in vielfacher Hinsicht – übrigens nie bequem für seine Zeitgenossen, auch nicht für die befreundeten. Einer, der auch im Alter noch lernfähig war, der sich vom jungen kaisertreuen U-Boot-Kommandanten des 1. Weltkriegs über den preußisch geprägten Pfarrer zum Vorreiter in Sachen Ostermarsch- und Friedensbewegung entwickelte.
Die MNS, 1977 gegründet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Sinne Martin Niemöllers das öffentliche Gewissen gegen politische Fehlentwicklungen zu schärfen, sich in den öffentlichen Diskurs einzumischen und Personen und Initiativen zu stützen, die in diesem Sinne tätig sind. Die MNS tut das nicht als politische Partei (wiewohl ihre Mitglieder durchweg politisch wache Menschen sind), sie tut es wie Martin Niemöller selbst aus dem Bezug zur Botschaft Jesu und seinem Leben. Aus dem Bezug zu einem Lebensentwurf, der von der Gleichwertigkeit aller Menschen ausging. Wer davon ausgeht, wird aller gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und allem Rassismus absagen und dagegen einschreiten.
Es geht dabei nicht nur um eine Idee oder um die edle, aufrichtige Gesinnung. Die ist wichtig. Es geht aber auch um Handlungen, die daraus folgen. Wir wissen, dass aus Menschenliebe geborene Handlungen nicht immer belohnt, sondern auch belächelt oder gar verdächtigt werden können. Wer sich um Roma und Sinti, überhaupt um Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien kümmert, schafft sich nicht nur Freunde.
Wir als MNS möchten mit der Verleihung des vom Ehepaar Dr. Günther und Ingrid Rumpf (Ingrid Rumpf ist anwesend) gestifteten JRP ein Zeichen setzen (mehr kann es ja nicht sein, aber immerhin): ein Zeichen, mit dem wir sagen: Wir schätzen die Arbeit der IIH sehr. Wir schätzen die vielfältige, differenzierte und mit Herzblut vollzogene Arbeit dieser vergleichsweise kleinen und mit wenigen Finanzen gesegneten Initiative. Wir haben Hochachtung vor der Bereitschaft, angesichts rassistischer Vorurteile gegenüber dem betreuten Personenkreis beharrlich und nachhaltig bei der Sache zu bleiben und dadurch Zeichen zu setzen. Wir bewundern die Kontinuität des Engagements, die sich auch durch Rückschläge und Misserfolge nicht entmutigen lässt. Wir möchten Mut machen, um der Menschen willen, um die es geht, an dieser Arbeit dran zu bleiben. Sie ist wichtig, für Hochfeld, für Duisburg, für unser Land.
Herzlichen Glückwunsch der IHH zum Julius-Rumpf-Preis.