Artikel

„Der Jude mit dem Hakenkreuz“ –
Meine deutsche Familie

12662650_778722675566837_2660042086932332410_n-2Buchvorstellung und Gespräch mit Lorenz S. Beckhardt
Moderation: Andreas Dickerboom

Lorenz S. Beckhardt, in einem katholischen Internat erzogen, erfährt erst als Achtzehnjähriger, dass er Jude ist. allmählich erhellen sich ihm das Leben seiner 27 Vorfahren, ihr Streben nach Anerkennung als vollwertige Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Bemühungen um wirtschaftlichen Erfolg.
Sein Großvater, der Wiesbadener Kaufmann Fritz Beckhardt, hatte als Jagdflieger am ersten Weltkrieg teilgenommen, aus dem er als höchst dekorierter Jude auf deutscher Seite zu rückgekehrt war. er zog sodann in den hiesigen Vorort Sonnenberg, wo die Familie seiner Frau ein gut gehendes Lebensmittelgeschäft betrieb. Dort engagierte er sich für den Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten ebenso wie für die ende 1931 ins Leben gerufene, sozialdemokratisch ausgerichtete Republikschutzorganisation »Eiserne Front«. dann aber musste er vor den sich immer mehr verstärken den antijüdischen Anfeindungen ins Wiesbadener Rheingauviertel ausweichen. 1937 wurde er wegen »Rassenschande« inhaftiert, kam anschließend ins KZ Buchenwald, aus dem er mit Hilfe seines einstigen Geschwaderkameraden Hermann Göring wieder freikam. 1940 konnte er zusammen mit seiner Ehefrau Rosa Emma nach Großbritannien emigrieren. ihr Sohn Kurt und ihre Tochter Hilde waren zuvor schon mit Kindertransporten, wie es damals hieß, ebenfalls dorthin in Sicherheit gebracht worden. Andere Verwandte hingegen sind alsbald deportiert und von den NS-Rassisten ermordet worden.
Nach dem Krieg versuchte Fritz Beckhardt in Wiesbaden wieder Fuß zu fassen und löste damit das Versprechen ein, welches er seinem Schwiegervater beim Abschied gegeben hatte: »Papa, Hitler wird den Krieg verlieren. (…) Wir kommen zurück; auch nach diesen ›Tausend Jahren‹ wird es noch Juden am Rhein geben.« Selbst die Niazis hatten seine Kämpfernatur nicht gebrochen. dies vermochte erst die »Wiedergutmachungs« – Bürokratie der frühen Bundesrepublik.
Bewegend schildert Lorenz S. Beckhardt die Schicksale seiner Verwandten und die eigene Selbstfindung, die Folgen von Schweigen und Verdrängen, ebenso den schweren Neubeginn seiner Großeltern in der alten Heimat, ihre alltäglichen Demütigungen durch Nachbarn sowie den zermürbenden Streit um Rückerstattung ihres Eigentums.
Indem er die Erlebnisse, Gedanken und Gefühle seiner eigenen Familie schildert, gelingt es dem Autor, einen trefflichen Eindruck von der Geschichte der deutschen Juden zu vermitteln, der auf die Leserschaft sicherlich weit aus lebendiger wirkt, als dies eine fachhistorische ab Handlung je könnte. Dies beweisen allein schon die ungemein großen Besucherzahlen seiner anrührenden Buchpräsentationen landauf, landab.

Über den Autor:
Der 1961 in Wiesbaden geborene Diplomchemiker und Journalist war ab 1993 als Autor und Redakteur für das ARD-Morgenmagazin sowie als Auslandsreporter in Europa und im Nahen Osten tätig. Seit 2005 ist er verantwortlicher Redakteur und Autor der Wissenschaftsmagazine »Quarks und Co« (WDR) sowie »nano« (3sat). Sein 2007 vom WDR produzierter Dokumentarfilm »Der Jude mit dem Hakenkreuz« über seinen Großvater stieß bei der Vorführung durch die Caligari Filmbühne im Jahr darauf wie auch anderenorts nicht anders als nun sein gleichnamiges Buch auf ein außerordentlich starkes Interesse.
Eintritt: frei, Einlass: 18.00 Uhr