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1992
Erste Begegnung mit Peremoha
Mitglieder der Familie Niemöller, der Martin-Niemöller-Stiftung und des ostdeutschen „Martin-Niemöller-Arbeitskreises“ reisten auf den Spuren von Martin Niemöllers Reise in die Sowjetunion (1955) nach Kyjiv und Moskau. In Kyjiv trafen sie die Vorsitzende des „Verbandes jugendlicher Häftlinge“, die die Interessen der zur Zwangsarbeit deportierten Kinder vertrat. Sie lud die Delegation in ihr Heimatdorf ein, Peremoha, 50km östlich von Kyjiv an der Straße nach Priluky. So lernte die Martin-Niemöller-Stiftung Peremoha kennen. Später vereinigte sich der Martin-Niemöller-Arbeitskreis mit der Niemöllerstiftung, Stefan Müller wurde Vorstandsmitglied und bemühte sich in den folgenden Jahren gemeinsam mit Claudia Sievers, das „Projekt Peremoha“ ins Leben zu rufen und lebendig zu halten. Das Projekt stand unter dem Motto „Erinnern – Begegnen – Helfen“.
1998
Eine „Reise wider das Vergessen….“
Ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter aus Peremoha reisen durch Hessen und Thüringen. Dabei sind auch der Bürgermeister Pawljuk und Vater Alexander Jarmoltschik.Es gab eine Reihe von Gesprächen mit Politikern, Kirchenvertretern, Presse, Besuche in Archiven und Zeitzeugengespräche an Schulen. Wichtigstes Thema: die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter:innen. Allein in Peremoha leben noch 412 ehemalige Zwangsarbeiter/innen, die auf Hilfe warten. Der Vorsitzende Martin Stöhr fordert die Einrichtung eines Fonds der deutschen Wirtschaft.
Sommer 1999
Im August findet ein erstes Sommercamp mit deutschen und polnischen Jugendlichen statt. Die Gruppe renoviert Räume in der Kirche. Das Workcamp wird von der „Aktion Sühnezeichen / Friedensdienste“ organisiert.
Oktober 1999
Eine zehnköpfige Delegation aus Deutschland fährt nach Kiew und Peremoha und knüpft viele Kontakte.. Peremoha bereitet den Gästen einen festlichen Empfang. Mit dabei: die Historikerin Dr. Katharina Hoffmann, die Politologin und filmemacherin Dr. elke Suhr, die FR-Mitarbeiterin Iris Hilberth, Otto Ritzel, Caronlinrenstift Apolda, die Lehrerinnen Jupp und Regine Seuffert, Hiltrud und Stefan Müller und Claudia Sievers. Die Gruppe führt zahlreiche Gespräche, knüpft Kontakte, um die Idee weiter zu entwickeln, in Peremoha als Symbol für die verbrannten Dörfer ein Erinnerungs- und Begegnungszentrum zu errichten. Die Kyiver „Stiftung für Verständigung und Aussöhnung“ und die Häftlingsverbände zeigen sich von der Idee überzeugt. In den Gesprächen wird aber klar, dass es ein mühsamer Weg wird, im Dorf jenseits von Bürokratie und Hierarchien freiwilliges Engagement zu organisieren. Das Ergebnis: erst mal kleine Schritte.
März 2000
Bürgerversammlung in Peremoha: Die Martin-Niemöller-Stiftung stellt sich und ihre Pläne den Dorfbewohnern vor und bittet um Vertrauen. Zur Versammlung kommen überwiegend ehemalige Zwangsarbeiter:innen, die Fragen zu den Verhandlungen um Entschädigung stellen und an die Niemöllerstiftung appellieren, in Deutschland ihre Interessen zu vertreten. aus Deutschland sind Stefan Müller, Otto Ritzel (Stiftung Carolinenheim Apolda) und Claudia Sievers (Geschäftsführerin Martin-Niemöller-Stiftung).
26. – 29. März 2000
Deutsch-ukrainisches Seminar in Weimar in der Jugendbegegnungsstätte Buchenwald mit Vertretern von Peremoha, der Kreisstadt Baryschiwa und Kyiv. Zehn Historikerinnen, Architekt:innen und Vertreter:innen von Häftlingsverbänden und Verwaltung diskutieren über ein Konzept für „Ein Haus für Peremoha“. Studierende aus Kyiv und der Bauhaus-Universität Weimar stellen ihre ersten Entwürfe vor, die in deutsch-ukrainischer Kooperation entstanden waren.
Sommer 2000
In Peremoha findet wieder deutsch-ukrainisches Jugendworkcamp statt, organisiert von Stefan Müller und Claudia Sievers. Die jungen Leute aus Deutschland bringen einen Spielplatz auf Hochglanz, streichen Fenster der Schule und erforschen die Geschichte des Dorfes. Die Zusammenarbeit mit ukrainischen Jugendlichen klappt nur sporadisch – zu unterschiedlich sind die Lebenssituation der meist studentischen Deutschen und der gleichaltrigen Ukrainer. Umso intensiver sind die Kontakte zu ehemaligen Zwangsarbeiter:innen. Ihnen ist es wichtig, den jungen Deutschen ihre Geschichte zu erzählen. Ulrike Holler vom Hessischen Rundfunk kommt nach Peremoha und führt Interviews mit den Zeitzeugen. Ein Kinderfest auf dem Schulhof wird zu einem fröhlichen Höhepunkt.
Ostern 2001
Prof. Dr. Martin Stöhr, Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung, besucht zum ersten Mal Peremoha und spricht in der Aula der Schule mit ehemaligen Zwangsarbeiter:innen. An die 200 von ihnen lassen sich auch von Melanija Kirilovna und Lubov Popenko aus Kyjiv von ihren Erfahrungen mit jungen Deutschen in Rüsselsheim berichten. Das dortige Kant-Gymnasium hatte im Rahmen eines später preisgekrönten Projekts zur Zwangsarbeit bei Opel die beiden Frauen als Zeitzeuginnen eingeladen. In Peremoha nun legen sie ihren Schicksalsgenossinnen in Peremoha ans Herz: „“Vertraut dieser Jugend“. In Rüsselsheim gibt es inzwischen einen Melanja-Platz, initiiert vom Projektleiter Jochen Müller.
Frankfurter Gewerbetreibende veranstalteten eine Spendensammlung, mit der nun die Schulbücherei in Peremoha („nur so alte Schinken aus der Sowjetzeit“) modernisiert und aufgestockt werden konnte. Beim Kauf und vor allem bei der Auswahl der Bücher berät die Leiterin einer Kyiver Kinder-und Jugendbibliothek, Alla Gordienko; bei Organisation und Einkauf half die Redakteurin der „Holos Ukrainy“, Natalya Pysanska.
Zum Besuchsprogramm von Martin Stöhr gehörten auch Gespräche mit Personen des öffentlichen Lebens. Besonders eindrucksvoll war das Gespräch mit dem bekannten Schriftsteller und Drehbuchautor Iwan Dratsch, nunmehr Informationsminister der Ukraine. Das Gespräch dreht sich um die Frage: Warum ausgerechnet ein so unwichtiges kleines Dorf? Warum nicht Kiew? Und wenn es schon unbedingt Dorf sein muss: Warum dann nicht ein allumfassendes, all-ukrainisches Dorfprogramm? Iwan Dratsch antwortet auf eine entsprechende Frage seines Referenten für uns:f Unser Projekt ist konkret, es ist überschaubar, es ist realisierbar – und es kann ausstrahlen und anderen Mut machen.
Während der Ostertage dreht Elke Suhr für den WDR den 45minütigen Dokumentarfilm „Peremoha – Ein Dorf in der Ukraine“. Der Film wird anläßlich des 60. Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion in vielen Sendern der ARD gezeigt.
Juni 2001
Beim 29. Evangelischen Kirchentag in Frankfurt ist das Projekt „Peremoha“ mit einem Stand und zwei Gesprächs- und Diskussionsveranstaltungen zum Thema „Zwangsarbeit“ vertreten. Als Referentin und Zeitzeugin waren die Historikerin Maryna Dubyk und Nadjeschda Mudrenok vom Häftlingsverband eingeladen. Zuvor hatte es in Wiesbaden eine Veranstaltung zum Thema „Keine Zeit mehr – Das Elend mit der Zwangsarbeit“ gegeben, bei der auch die Journalistin Natalya Pysanska referierte. Nadjeschda Mudrenok sprach als Zeitzeugin mit Schüler:innen der Martin-Niemöller-Schule.
Sommer 2001
Mit Unterstützung der Landeszentrale für Politische Bildung Hessen findet diesmal das deutsch-ukrainische Sommercamp unter dem Thema „Gemeindedemokratie im Aufbau“ statt, mit Teilnehmern aus Deutschland, Kyjiv und Peremoha. Ziel ist nicht vordergründig ein „fertiges Endprodukt“, sondern zum einen die Wahrnehmung von Strukturen in einer Gemeinde in einem osteuropäischen Staat, der sich in einem Transformationsprozess befindet, zum anderen die Möglichkeiten demokratischen Handelns durch gemeinsame Planung und Arbeit. Gemeinsam renovierten deutsche und ukrainische Jugendliche einen Jugendtreffpunkt nach eigenen Entwürfe.; die Einweihung wurde mit einer langen Disconacht gefeiert. Auch mit dabei: Gudrun Lachenicht, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der EKBO mit einem Forschungsauftrag „Zwangsarbeiter bei der Kirche“.
Bei einem Treffen mit dem Kyjiver Theaterensemble „Nascentes“ in Deutschland einige Monate zuvor war die Idee eines Theaterabends im Freien in Peremoha entstanden. An einem denkwürdigen lauen Sommerabend führte „Nascentes“ auf der Schulwiese eine ukrainische Version von „Jedermann“ auf.
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