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Garnisonkirche: Neue Chance für festgefahrenen Konflikt?

Am 25. September 2019 verabschiedete der Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung eine Erklärung zur ehemaligen Garnisonkirche. Hier der volle Wortlaut der Erklärung:

 

 

Das Martin-Niemöller-Haus in Dahlem
Das Martin-Niemöller-Haus in Dahlem

Der Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung hat auf seiner  Sitzung an historischer Stätte im Martin-Niemöller-Haus in Berlin-Dahlem folgende Erklärung verabschiedet:

In den seit langem festgefahrenen Konflikt um die Rekonstruktion der Garnisonkirche Potsdam kommt Bewegung. Gibt es jetzt auch die Chance für einen konstruktiven Prozess mit der Hoffnung auf eine tragfähige Lösung am Ort der ehemaligen Garnisonkirche Potsdam?

  • Bundespräsident Walter Steinmeier lässt als Schirmherr mitteilen, Vorschläge, „die dazu beitragen können, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen“, fänden seine Zustimmung. Ziel des Wiederaufbaus müsse ein Ort sein, an dem sich die Öffentlichkeit kritisch mit dieser Geschichte und der Geschichte des Baus auseinandersetzen kann.
  • Der neue Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, Mike Schubert, ließ seinen Platz im Kuratorium der Baustiftung ruhen und bringt eigene Vorschläge in die Debatte ein.
  • Dr. Martin Sabrow, Direktor des Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, plädiert für den Erhalt des Kulturhauses Rechenzentrum, weil „historische Stadtrekonstruktion …nicht auf geschichtliche Glättung zielen (darf), sondern…die Brüche der Geschichte abzubilden (hat)“.
  • Die im Rechenzentrum tätigen Kulturschaffenden erklären ihren Willen, das Haus weiterhin und dauerhaft nutzen zu wollen.
  • Die „Offene Petition“ des lokalen Bündnisses gegen den Turmbau und der „Offene Brief“ zweier unserer Vorstandsmitglieder zusammen mit Prof. Philipp Oswalt finden sofort tausendfache und prominente Zustimmung. Gefordert werden u.a. die Einstellung einer weiteren Bezuschussung der Baustiftung aus Steuermitteln und ihre Abgrenzung gegenüber rechtspopulistischen Personen und Positionen.

Dies alles ist erfreulich, jedoch ist noch nichts erreicht. Die für das Bauvorhaben verantwortliche Stiftung Garnisonkirche Potsdam zeigt noch keine Anzeichen, auf diese Vorschläge einzugehen.

Die Martin-Niemöller-Stiftung schlägt für den weiteren Prozess vor:

  1. Ein Moratorium des Turmbaus, um endlich Zeit für eine breit angelegte und sachlich tiefe Debatte zu haben.
  2. Die Ausweitung der Trägerschaft über die Baustiftung hinaus durch das Einbeziehen zivilgesellschaftlicher Kräfte und die Beteiligung der Stadt als eigenständigem Akteur.
  3. Als Kern des Prozesses: die erstmalige inhaltliche und bauliche Konzeptionierung aus der Historie des Ortes und den künftigen Funktionen.
  4. Eine spätere Neubenennung der bestehenden und entstehenden Bauwerke mit dem Zusatz „…am Ort der Garnisonkirche Potsdam“.
  5. Einen sichtbaren „Bruch am Bau“ bereits am Turm. Dazu wird die Ausschreibung eines Wettbewerbs empfohlen.
  6. Eine Ensemble-Lösung am Ort: Das ehemalige Rechenzentrum und jetzige Künstlerhaus bleibt für die Kulturschaffenden erhalten. Auf den Bau des Kirchenschiffs wird verzichtet. Der Lange Stall wird einbezogen, ggf. auch der Kanal.
  7. Öffentlich bezuschusst wird zunächst nur der Konzeptionierungsprozess – und erst danach wieder die im Ergebnis vorgeschlagenen baulichen Formen.

Als ersten Schritt bitten wir die jeweils Angesprochenen – mit ihren eigenen Vorstellungen – in einen solchen Prozess einzusteigen. Wir werden sie persönlich dazu einladen.

Berlin, den 25. September 2019

gez. Michael Karg, Vorsitzender

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