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Das falsche Signal aus Potsdam
Offener Brief an den Bundespräsidenten

Offener Brief an Bundespräsidenten

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Die Stiftung Garnisonkirche Potsdam will am  Sonntag, den 29. Oktober, den Baubeginn für den Turm den Wiederaufbau der ehemaligen Garnisonkirche mit einem Gottesdienst feiern. Aus diesem Anlass haben zahlreiche Persönlichkeiten aus Kirche, Kultur und Politik  einen  Offenen Brief an den  Bundespräsidenten, Dr. Frank-Walter Steinmeier geschrieben. In dem Brief sprechen sie die Erwartung aus, dass er den kritischen Einwänden und Argumenten gegen den Bau Raum geben möge, da es sich bei dem geplanten Neubau um ein Politikum von nationaler und europäischer Bedeutung handle. Bei einem Bauwerk, das sich selbst als „Symbolkirche“ verstehe, dürfe nicht vergessen werden, dass es längst auch zu einem Symbol der Demontage der Demokratie geworden sei.  Der Bruch mit der Tradition dieser Kirche müsste einen klaren, unübersehbaren Ausdruck in der architektonischen und konzeptionellen Gestaltung dieses Ortes finden, die einem Sichtwechsel kommender Generationen auf die Geschichte standhält und den notwendigen Lernprozess lebendig hält. Das sei umso wichtiger angesichts des gegenwärtigen Wiederauflebens des Nationalismus in Europa.

Zu den Unterzeichnern gehören u.a. der Historiker Manfred Gailus, die Theologen Heino Falcke und Friedrich Schorlemmer, der Schriftsteller Eugen Ruge, der Künstler Klaus Staeck, der ehemalige Regierungssprecher und Autor Uwe-Karsten Heye, Staatsministerin a.D. Barbara Stolterfoth u.v. a.

Angesichts des politischen Rechtsrucks in Europa:

Das falsche Signal aus Potsdam

 

Offener Brief an Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier

Berlin, den 27. Oktober 2017

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

am 29. Oktober wird in Potsdam der Wiederaufbau der ehemaligen Garnisonkirche mit einem Gottesdienst gefeiert.

Sie haben in Ihrer Eigenschaft als Bundespräsident die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernommen und die Hoffnung ausgedrückt, dass hier ein Lernort der deutschen Geschichte entstehe, an dem Besucher „Lehren aus einer wechselvollen Geschichte ziehen können, um für die Zukunft eines friedlichen und gerechten Europas einzutreten“.

Wir wenden uns an Sie, weil wir bezweifeln, dass dieser Anspruch eingelöst wird.

Von Anfang an liegt diesem Vorhaben eine widersprüchliche Logik zugrunde: Warum muss man die ehemalige Garnisonkirche wieder errichten, um – wie behauptet wird – die Ideologie und Wirkungsgeschichte, die sie repräsentiert, zu widerlegen?

Das kunsthistorische und städtebauliche Interesse an der Garnisonkirche ist die eine Seite. Aber diese Kirche ist längst auch zu einem Symbol der Demontage der Demokratie geworden. Hier wurde am 21. März 1933 die Machtübergabe an die Nazis vollzogen. Heute würde ihr bruchloser Wiederaufbau wie der Versuch wirken, dieses zu vernebeln. Bei einem Bauwerk, das sich selbst als „Symbolkirche“ versteht, darf nicht vergessen werden, dass es „Symbolkirche des Militärstaates Preußen“ (Theodor Fontane) war, dass es nach dem Ersten Weltkrieg zum Wahrzeichen der antidemokratischen Reaktion wurde, und dass seine Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs auch ein Urteil über seine Geschichte war.

Der Wiederaufbau, der für sich in Anspruch nimmt, von „nationaler Bedeutung“ zu sein, könnte als eine Aufhebung dieses Urteils verstanden werden.

Der Bruch mit der Tradition dieser Kirche müsste einen klaren, unübersehbaren Ausdruck in der architektonischen und konzeptionellen Gestaltung dieses Ortes finden, die einem Sichtwechsel kommender Generationen auf die Geschichte standhält und den notwendigen Lernprozess lebendig hält.

Das ist umso wichtiger angesichts des gegenwärtigen Wiederauflebens des Nationalismus in Europa. Der Ruf aus der AFD nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180°“ (B. Höcke) bedeutet nichts anderes, als die geschichtlichen Lehren, die die Grundlage für die friedliche und gerechte Ordnung in Europa sind, grundsätzlich in Frage zu stellen.

Unsere Bedenken gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche sind durch die jüngste Bundestagswahl noch verstärkt worden. In einer Zeit, in der rechtsextreme, nationalistische und geschichtsrevisionistische Kräfte nach vorn drängen, befürchten wir, dass sie den Wiederaufbau der Garnisonkirche als Bestätigung ihrer politischen Ansichten in Anspruch nehmen und propagieren.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, der Respekt vor Ihrem hohen Amt ermutigt uns zu diesem Schreiben. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass Ihre Schirmherrschaft einem „Lernort“ gilt, an dem „Lehren aus einer wechselvollen Geschichte“ gezogen werden können.

Dies halten wir nicht für gegeben.

Ihr Engagement in dieser Sache verbinden wir mit der Erwartung, den vorhandenen kritischen Einwänden und Argumenten Raum zu geben, denn hier handelt es sich nicht nur um eine lokale oder kirchliche Angelegenheit, sondern um ein Politikum von nationaler und europäischer Bedeutung.

Hochachtungsvoll

Unterzeichner/innen:

Prof. Dr. Klaus Ahlheim, Berlin; Bernd Albani, Berlin; Manuela Albani, Berlin; Gunnar Albers, Bad Wilsnack; Uta Armbruster-Held, Berlin; Gerd Bauz, Frankfurt am Main; Elfriede Teresa Begrich, Berlin; Almuth Berger, Berlin; Hanna Blank, Potsdam; Michael Brix, Potsdam; Uta Brux, Berlin; Peter Bürger, Düsseldorf, Daniela Dahn, Berlin, Christian de la Motte, Potsdam; Axel Dierich, Potsdam; Katrin Dreyer, Potsdam; Inge Dücker-Storch, Frankfurt am Main; Dr. Hermann Düringer, Frankfurt am Main; Prof. Dr. Wolfgang Engler, Berlin; Dr. Petra Erler, Potsdam; Dr. D.D. Heino Falcke, Erfurt; Jana Feiler, Potsdam; Johanna Feiler, Potsdam; Bernhard Forck, Berlin; Martin Franke, Mainhausen; Prof. Dr. Manfred Gailus, Berlin; Thomas Gamer, Potsdam; Joachim Garstecki, Magdeburg; Esther Gebhardt, Frankfurt am Main; Hans-Dieter Gerisch, Potsdam; Beate Goreczko, Potsdam; Marcus Große, Potsdam; Mechthild Gunkel, Darmstadt; Dr. Frank Havemann, Berlin; Cordula Heilmann, Rostock; Friedrich Heilmann, Rostock; Priv. Doz. Dr. Siegfried Heimann, Berlin; Michael Hennig-Greger, Schönfeld; Uwe-Karsten Heye, Potsdam; Michael Karg, Reiskirchen; Rudolf Knauss, München; Dr. Daniela Koeppler, Hannover; Carsten Linke, Potsdam; Anne Lorbeer-Wittnebel, Berlin; Gisa Luu, Frankfurt/Main; René Martin, Potsdam; Prof. em. Dr. Heinrich Missalla, Essen; Dr. Hans Misselwitz, Berlin; Ruth Misselwitz, Berlin; Christine Müller, Leipzig; Kathleen Müller, Berlin; Rainer Müller, Offenbach; Sabine Müller-Langsdorf, Frankfurt am Main; Sigried Neumann, Potsdam; Susanne Nitsch, Potsdam; Prof. Dr. Andreas Pangritz, Bonn; Klaus Pape, Hannover; Felicitas Pink, Potsdam; Verena Postweiler, Potsdam; Moritz Riedel, Potsdam; Frauke Röth, Potsdam; Eugen Ruge, Berlin; Dr. Björn Rugenstein, Potsdam; Hildegard Rugenstein, Potsdam; Uwe Rühling, Potsdam; Prof. Dr. Dr. h.c. Fritz Sack, Berlin; Anne Schlüter, Potsdam; Benito Schöpke, Potsdam; Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer, Lutherstadt Wittenberg; Erika Schrader, Rostock; Rüdiger Schulze, Emmendingen; Cornelia Senne, Bonn; Claudia Sievers, Wiesbaden; Bernhard Simm, Potsdam; Heide Simm, Potsdam; Ulrike Simm, Potsdam; Dr. Gerda Sommer v. Bülow, Berlin; Dr. Gerd Stadermann, Berlin; Prof. Klaus Staeck, Heidelberg; Prof. Dr. Martin Stöhr, Bad Vilbel; Barbara Stolterfoht, Berlin; Dr. Rainer Storch, Frankfurt am Main; Ingo Taufmann, Potsdam; Ines Taufmann, Potsdam; Louis-Ferdinand von Zobeltitz, Bremen; Anselm Weidner, Berlin; Rainer Weitzel, Berlin; Simon Wohlfahrt, Potsdam; Christian Woitke, Lebus; Heike Woitke, Lebus;Christian Wolff, Leipzig; Günter zur Nieden, Potsdam.

 

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