Von Wolf Dähne
Sehr verehrte Damen und Herren der Martin-Niemöller-Stiftung und der Familie Rumpf, liebe Gäste,
ich habe Dank zu sagen.
Es bewegt, einen Preis verliehen zu bekommen, der mit den Namen Martin Niemöller und Julius Rumpf verbunden ist.
Als verantwortungsbewussten Christen und aufrechten Bürgern ist deren Lebensmaxime eng mit dem Gedanken rückhaltlosen Engagements gegen Unrecht und Ungeist verbunden. Sie gehörten zu jenen Menschen, die getragen waren von einem unbeirrbaren und zu entschiedenen Taten führenden christlichen Glauben. Dieser Glaube ließ sie mutig Stand halten in einer dunklen Epoche unserer deutschen Geschichte.
Und diese Geschichte, so scheint es, droht uns immer wieder einzuholen mit hässlichen Parolen und bösartigen Gewaltakten – und im Hintergrund Demagogen, die kaum in Erscheinung treten, aber mit deren düster-gestrigem Weltbild sie Einfluss auf die Hirne und Herzen junger Menschen zu gewinnen suchen und sie so für ihre Interessen instrumentalisieren.
Im Märchen wird erzählt: Die junge Königin hatte Angst um ihr Kind, weil ein böser Zwerg nach seinem Leben trachtet. Der aber verliert seine Macht, als ihn die Königin beim Namen nennen kann. Rumpelstilzchen! Und damit obsiegt sie und rettet ihr Kind.
Eine wunderbare Geschichte. Vielleicht doch kein Märchen. Eine Geschichte, die sagt, was zu tun ist.
Es sind nicht die Menschen, die sich verführen lassen, sondern es ist der Ungeist, gegen den sich die Bemühungen unseres Netzwerkes richten. Ein Ungeist, der sich freilich auch dadurch unter uns etablieren kann, weil zu viele nicht wahr haben wollen, andere abwiegeln und nicht wenige sogar billigend tolerieren, was da in der Mitte unserer Gesellschaft geschieht und sie von innen her zu vergiften droht wie eine heimtückische Krankheit.
Aus der französischen Resistence stammt die Sentenz:
Fürchte dich nicht vor den Feinden,
auch wenn sie dich notfalls töten;
fürchte dich nicht vor den Freunden,
auch wenn sie dich notfalls verraten;
fürchte dich aber vor den Gleichgültigen,
denn ohne ihre schweigende Zustimmung gibt es weder Verrat noch Mord.
Die fassungslose Lehrerin, die aus Ihrer Klasse heraus plötzlich mit einem donnernden „Sieg – Heil!“ begrüßt wird,
der kleine dunkelhäutige Junge, der sich auch am helllichten Tage nicht mehr unbegleitet auf die Straße traut,
der junge Mann, auf den sie mitten in einer friedlichen Kleinstadt mit dem Auto Jagd machten,
sie alle wissen: Was da, manchmal sogar behördlich ignoriert, mitten unter uns sein Unwesen treiben kann, muss beim Namen genannt werden: Es ist der banale Terror.
Es hat für uns, das „Netzwerk Sachsen gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit“, einen hohen symbolischen Wert, diesen Preis als Gäste in dieser Stadt entgegennehmen zu dürfen.
Dresden und sein jüngeres Schicksal ist Synonym für eine elend gescheiterte national-sozialistische Hybris, als die zerstörerische Gewalt, die ihr wesenseigen war, von Deutschland aus in die halbe Welt getragen wurde und dann so furchtbar auf uns zurückfiel. Das Gedenken der Bürgerschaft dieser Stadt an jenen 13. Februar 1945 ist jedes Jahr neu ein Zeichen der Trauer und Betroffenheit – auch über uns selbst.
Äußerlich heilen die Wunden. Die Stadt erhält viel von ihrem alten Glanz zurück.
Aber gerade im Umfeld dieser Stadt mit ihren anmutigen Landschaften sammeln sich Gruppen, die den Müll deutscher Geschichte recyclen möchten. Das hat unter uns dem Gedanken an ein Netzwerk gegen solche Bestrebungen Gestalt gegeben. Hier sind besonders die beiden Herren Helmar-Leo Blech und Manfred Lindemann zu nennen .
Wenn es für uns ein Leitziel zu benennen gäbe, wäre es dies, uns als „Gegen“-Netzwerk überflüssig zu machen. Bis dahin gibt es viel zu tun, um in den kommunalen Bereichen wachsame Bürgerallianzen und in den Schulen ein freimütiges Zusammenwirken von Schülerschaft, Lehrerschaft und Eltern zu bilden.
So kann Raum geschaffen werden für ein gesundes Miteinander ohne Gewalt, rechtsextremistische Ideologien und Hass.
Über die Ursachen des gesellschaftlichen Phänomens eines Rechtsextremismus ist viel Kluges gesagt und Abenteuerliches gemutmaßt worden. Mit Sicherheit aber fiel es hierzulande auf einen geeigneten Nährboden, als viele junge Menschen in den rasanten Umbrüchen und damit verbundenen gesellschaftlichen Irritierungen durch diese Ideologen einfache Antworten auf ihre Verunsicherungen erhielten. Nach fast 6 Jahrzehnten totalitärer Usurpation des Denkens, Fühlens und Handelns haben Demagogen leichtes Spiel.
Wachrütteln, aufklären, wirksame Bündnisse bilden und vernünftig handeln – das ist unser Ziel in Schulen und Verbänden, Kommunen und Behörden.
Nur die aufgeklärten Bürgerinnen und Bürger, human motivierte junge Menschen und die Schulkinder, die sich „schlau gemacht“ haben, werden mündige Sachwalter der Demokratie und Menschlichkeit sein können.
Ich danke Ihnen.