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Hermann Düringer:
„Laßt uns einen Turm bauen…“

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Ein Zwischenruf aus Potsdam –
Impulsreferat von Dr. Hermann Düringer anläßlich der Tagung „Das Projekt Garnisonkirche – welche Zeichen will die Evangelische Kirchen hier setzen?“ vom 18.-19. März 2017

Liebe Tagungsteilnehmende,

was treibt uns aus Frankfurt am Main und dem Rhein-Main-Gebiet zu dieser Tagung nach Potsdam? Ein Kirchturm soll wieder aufgebaut werden, vielleicht sogar eine ganze Kirche. Das könnte ein lokal oder regional aufregendes Vorhaben sein. Aber es geht um die Garnisonkirche, und die, die solches vorhaben, erklären es – zu Recht – zur nationalen Angelegenheit. Ich will einige theologische und politische Motive benennen, die auch 500 km entfernt unsere Kritik am Wiederaufbau der Garnisonkirche, bzw. ihres Turmes hervorrufen. Ich hoffe, dass sie den Horizont für weitere gemeinsame Überlegungen eröffnen.

Ich nehme Bezug auf eine Urgeschichte der Menschheit, die uns im Alten Testament, der Hebräischen Bibel überliefert ist. Ich setzte die Geschichte vom Turmbau zu Babel als bekannt voraus. In ihr heißt es:

„Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“ (Gen. 11,4)

Wer immer in der Kirche einen Turm bauen will, sollte sich der biblischen Geschichte vom Turmbau zu Babel erinnern. Er sollte sich befragen und wenn er selbst es nicht tut – befragen lassen nach den Motiven seines Handelns – und er sollte auf den Ausgang des Unternehmens schauen.
Wir wissen, dass dieser Turm – die Archäologen nennen ihn Zikkurat – ein durch und durch religiöses Bauwerk war – was aber – wie die biblische Geschichte vermerkt – keineswegs per se bedeutet, dass es ein gottgefälliges Bauwerk war. Wir lernen aus dieser Geschichte, dass auch religiös motivierte Türme Ausdruck eines Irrwegs und menschlicher Hybris sein können. Eine Hybris, in der Menschen ihre Geschichte in die Hand nehmen wollen – und sie verfehlen.

Die biblische Erzählung nennt das doch sehr verständliche und hehre Motiv, mit dem Bau des Turms die Einheit zu bewahren und der Spaltung entgegen zu wirken. Doch wir lesen: bewirkt wird genau das Gegenteil.

„Wohlauf, lasst uns den Turm der Garnisonkirche wieder aufbauen?“ Was können wir sagen über die Motive derer, die sich für dieses Vorhaben stark machen?

Es sind hehre Ziele und große Worte: Frieden und Versöhnung prangt einem bei google entgegen. Und dann:                                                                                                                                 Geschichte erinnern – Verantwortung lernen – Versöhnung leben

Dass Menschen, die noch vor dem Krieg mit der Garnisonkirche persönliche und familiäre Erinnerungen verbinden, sie gerne wieder zurück hätten, ist noch am ehesten verständlich. Aber kann das einen Wiederaufbau begründen? Nach über 70 Jahren nicht mehr.

Wenn Menschen meinen, der Turm der Garnisonkirche gehöre zum Stadtbild von Potsdam, sollten sie endlich akzeptieren, dass der von Deutschland verursachte 2. Weltkrieg das Bild unserer Städte – auch Potsdams – unwiederbringlich verändert hat. Geschichtsvergessen sind nicht die, die gegen den Wiederaufbau sind, sondern die, die mit dem Wiederaufbau die historische Illusion nähren, als sei gar nichts geschehen.  Und dass Walter Ulbricht in einer barbarischen Sonntag morgen-Aktion die Ruine der Kirche sprengen ließ, spricht gegen ihn, aber nicht für einen Wiederaufbau.

Wirklich notwendig ist die Auseinandersetzung mit den ideologischen Motiven, die so politisch und kirchlich korrekt daher kommen, dass man doch eigentlich nichts dagegen haben kann: Wer könnte etwas gegen Frieden und Versöhnung haben.                                          „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben.“

Fangen wir bei dem letzten an: Wer hier einen Ort der Versöhnung und des Friedens will, der sollte begründen, 1. warum noch ein solcher Ort entstehen soll, wo doch jede Kirche diese Aufgabe hat und viele auch zu leben versuchen, was es heißt, ein Ort des Friedens zu sein. Und wenn es denn 2. einen herausgehobenen Bedarf für einen besonderen Ort des Friedens in Potsdam gibt, dann soll man anfangen zu planen, was für ein großartiges Bildungs- und Forschungszentrum entstehen könnte: für Frieden und Verständigung, für Rüstungsabbau und zivile Friedensdienste – schon mit der Hälfte des Geldes, das für einen aufgeblasen-lächerlichen Turm benötigt würde.

Die Versöhnungsrhetorik der Wiederaufbaubefürworter kann den Verdacht nicht abstreifen, dass sie zur Legitimierung anderer Ziele herhalten soll.

Denn vielleicht ist das Stichwort Versöhnung hier auch ganz anders gemeint. Möglicherweise geht es bei der Garnisonkirche vorranging um eine gesellschaftliche Versöhnung mit dem Militärischen. Deutsche sollen endlich wieder eine positive Einstellung zum Militär entwickeln. Dazu wird der preußische Militarismus weichgespült. Und geht es im Besonderen um Versöhnung der Kirche mit dem Militär; einem Militär, das angeblich per se „dem Frieden dient“? Ist das die Ansage: Aufrüstung! – da Deutschland – wie ständig zu hören ist – mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse. Herr Trump kommt da nicht ungelegen – und die Bundesverteidigungsministerin meldet entsprechende Mittel für die Aufrüstung der Bundeswehr an. Geht es um diese Art von Verantwortung? Offensichtlich braucht es dafür eine Symbolkirche?

Zum Thema ‚Geschichte erinnern’möchte ich thesenartig 7 Punkte nennen, die uns skeptisch machen:

  1. Wenn man genau hinhört, kommt der Verdacht auf, hier solle Geschichte nicht nur erinnert werden, hier solle vielmehr einer Geschichte gehuldigt werden: Die Rede ist von einem „Denkmal von nationaler und europäischer Bedeutung“, von einer Symbolkirche und einem Kultur- und Baudenkmal. Zum Thema Symbol hat schon Theodor Fontane das Nötige gesagt. Er nannte diese Kirche ein „Symbol des Militärstaats Preußen.“
  2. Es begann damit, dass in diesem „christlichen Baudenkmal“ die römischen Kriegsgötter Mars und Bellona als Hüter vor der Königsgruft verehrt wurden. Da es im Christentum keinen Kriegsgott gibt – Gott sei Dank! – nahm man kurzerhand zwei römische. Ich nenne das Blasphemie.
  3. Nicht nur Thron und Altar sollten eine Einheit sein, auch Schwert und Kreuz. Und der militärische Treueeid auf Kaiser und Führer kam dem Bekenntnis zu Jesus Christus gleich – in dieser Kirche ganz besonders. Genau dieser militärische Treueeid war es, der deutsche Offiziere so lange abgehalten hat, ihrem christlichen Bekenntnis zu folgen und gegen die Tyrannei aufzustehen.
  4. In dieser „Symbolkirche“ wurde die Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich zelebriert. Kriegsbeute aus allen Waffengängen des 19.Jhdts. – insbesondere den deutsch-französischen – wurden hier in überschwänglichem Nationalstolz präsentiert; Wollen wir auch in Deutschland eine Wiederbelebung des Nationalismus? Herrn Höcke jedenfalls freut der Wiederaufbau.
  5. Europäische Kriegsherren, die sich nicht nachstanden, abertausende junger Männer als Kanonenfutter auf die europäischen Schlachtfelder des 19. Jhdts.zu führen, erwiesen sich in der Garnisonkirche gegenseitig die Ehre. (Preußenkönig Friedrich Wilhelm III, Zar Alexander I.; Napoleon Bonaparte in Verehrung Friedrichs II.); Sollen wir ihnen Ehre erweisen?
  6. In der Garnisonkirche trafen sich gleich nach dem ersten Weltkrieg die antirepublikanischen Kräfte, denen das Pflänzchen der ersten demokratischen Verfassung in Deutschland ein Dorn im Auge war und die darüber nachsannen, wie man es schnell wieder ausreißen könnte.
  7. Des ‚Tages von Potsdam’ setzt dem allen die Krone auf. Aber es hätte seiner gar nicht mehr bedurft, um sich des unseligen Charakters dessen bewusst zu werden, wofür diese Kirche stand.

„Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten… und zerstreute sie…dass sie aufhören mussten die Stadt zu bauen“

Wenn uns die direkte Sprache noch zur Verfügung stände, würde ich sagen: es kommt einem Gottesurteil gleich, dass diese Kirche nicht mehr steht.

 

 

 

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