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Gutachten zum Nutzungskonzept für den Erinnerungsort „Potsdamer Garnisonkirche“

Lesen Sie das vollständige Gutachten hier:
2017-05NutzungskonzeptGarnisonkircheGutachten

 

ZusammenDresden4fassung:

 

Wie umgehen mit einem der „wichtigsten Geschichtsorte Deutschlands“?

Die Martin-Niemöller-Stiftung legt für die weitere Auseinandersetzung um den Erinnerungs- und Gedenkort Garnisonkirche Potsdam ein Gutachten zum Nutzungskonzept vor.

Untersucht wird darin, wie die Stiftung Garnisonkirche Potsdam, der das Grundstück gehört und die dort eine Rekonstruktion des historischen Gebäudes errichten will, konzeptionell vorgeht. Im zweiten Teil wird dieses Herangehen mit anderen Erinnerungsorten verglichen, u. a. der Topographie des Terrors Berlin, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, dem NS-Dokumentationszentrum München.

 

Zusammenfassend werden folgende Feststellungen getroffen:

„Das aktuelle Nutzungskonzept der Stiftung Garnisonkirche Potsdam wird den Ansprüchen an diesen herausragenden Erinnerungsort nicht gerecht. Die größten Mängel des Konzeptes sind:

  • Für Veranstaltungen und Ausstellungen ist kein Geld eingeplant.
  • Für die Geschichtsvermittlung ist kein geeignetes Personal vorgesehen.
  • Die geplanten Räumlichkeiten sind für eine anspruchsvolle Geschichtsvermittlung zu knapp bemessen. Vor allem die Ausstellungsräume sind zu klein.
  • Es fehlt ein Wissenschaftlicher Beirat, der ein hohes wissenschaftliches Niveau der Arbeit sichern kann.
  • Das inhaltliche Konzept ist sehr vage und teilweise missverständlich, es bietet deshalb viel Raum für einen Missbrauch dieses Gebäudes für geschichtsrevisionistische Ziele.“ (S. 16)

Drei Folgerungen werden daraus abgeleitet:

„Nötig ist eine breite Diskussion über die Geschichtsvermittlung an diesem Ort und über die Schwerpunkte, die gesetzt werden sollen.“

„Nötig ist ein Neustart, bei dem insbesondere die politischen Parteien, die Parlamente und die Kirche in ihren verantwortlichen Gliederungen sich selbst umfassender einbinden.“

„Nötig ist zudem die Einbindung bisher fehlender, schwach vertretener oder abgewiesener Akteursgruppen aus Wissenschaft, Theologie, Erinnerungsarbeit, Zivilgesellschaft und Stadtbevölkerung.“ (S. 17)

Erstellt wurde das Gutachten von einer internen Projektgruppe der Martin-Niemöller-Stiftung. Ihr gehören zwei Theologen an, Hermann Düringer und Hans Misselwitz, zwei Organisationsentwicklerinnen, Christine Madelung und Gerd Bauz, und die Geschäftsführerin der Niemöller-Stiftung, Claudia Sievers. Gerd Bauz ist Mitglied des Vorstands.

Das Gutachten wurde den Bundesvorständen der im Bundestag vertretenen Parteien, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, einem breiten Kreis weiterer beteiligter Akteure und selbstverständlich der kritisierten Stiftung zugestellt.

Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien, erhielt das Gutachten, weil sie über Bundeszuschüsse in Höhe von 12 Millionen € mit zu entscheiden hat.

Im Zusammenhang mit dem beginnenden Evangelischen Kirchentag erhielten das Gutachten die Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ und kirchliche Friedensgruppierungen. Schließlich ging das Gutachten an örtliche Bürgervereinigungen in Potsdam.

Wiesbaden, 23. Mai 2017                                                                  Claudia Sievers, Geschäftsführerin

Für Deutschtum und Vaterland.
Die Potsdamer Garnisonkirche
im 20. Jahrhundert

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Autorenlesung mit Matthias Grünzig

14. Juni 2017 im Zentrum  Ökumene

Frankfurt, Praunheimer Landstraße 2016

Beginn der Lesung: 18:30 Uhr, Imbiss ab 18 Uhr

Eintritt frei

 

Ein Buch über Potsdam.  Wozu in Frankfurt?

Der Kontext

In Potsdam gibt es seit gut 30 Jahren einen erbitterten Streit um die kleine Brache, auf der einmal die evangelische Garnisonkirche stand.

In der Evangelischen Kirche entwickelt sich langsam ein Bewusstsein von der Verantwortung für diesen Ort, sogleich in heftiger Kontroverse.

In Deutschland schläft man noch. Die politischen Parteien überlassen das Thema einigen Granden und den lokalen Preußen-Fans. Keine Debatte, keine Forschung, kein Ideenwettbewerb…

In der politischen Rechten ist man hellwach: 1984 bringt der später wegen rechtsradikaler Umtriebe aus der Bundeswehr entfernte Oberstleutnant Max Klaar die Sache ins Rollen und bewirkte vielleicht bereits den schiefen Start der Stiftung Garnisonkirche… Im Januar kündigt Björn Höcke an, sich dieser „Fassaden“ zu bemächtigen und ihnen in einer „erinnerungspolitischen Wende“ den „neuen, ehrlichen, vitalen, tiefbegründeten und selbstbewussten Patriotismus“ einzuhauchen.

In der Evangelischen Kirche in Hessen hat man diese Szenerie wahrgenommen, sich die Augen gerieben.- und geht in das Thema rein.

Der Text

 Diese Kirche war von Beginn an (1732) eine „Gotteslästerliche Bude“ (Zeit-Kolumnist Christoph Dieckmann). Dort wurden die preußischen Prinzen und die einfachen Gardesoldaten für die Kriege ‚geistlich‘ zugerüstet.

Diese Kirche war in den 14 Jahren der Weimarer Republik der Tempel der Rechten – bis zum Sieg am Tag von Potsdam, am 21. März 1933, an dem der „Geist von Weimar“ dem „Geist von Potsdam“ unterlag.

Diese Kirche hatte, als noch nutzbare Ruine, eine besondere Geschichte in der DDR – die heute diametral entgegengesetzt interpretiert wird.

Der Abend

Matthias Grünzig ist der Kenner, er steht zur Verfügung, die historischen Fakten auszubreiten.
Dekanin Dr. Ursula Schoen wird in die Debatte einführen.
Michael Karg legt als Vorsitzender das Herangehen der Martin-Niemöller-Stiftung dar.

Sie sind eingeladen, sich auf den Stand zu bringen – für das „Wozu“:

Der Symbolort Garnisonkirche könnte aufgeladener nicht sein – sich schlau zu machen und einzumischen ist angesagt.

Über die Gegenkräfte, die bisher vor Ort das sagen haben, ihre Motivation, ihre Zusammensetzung und ihre Vorhaben wird an dem Abend zu reden sein – um auch bald mit ihnen zu sprechen!

Wie wird man diesem nationalen und evangelischen Gedenk-Ort gerecht?
Welche Rolle spielt er im aktuellen Ringen in der Friedensfrage: pazifistisch – bellizistisch …?

Eintritt frei.

Es laden ein:

Die Martin-Niemöller-Stiftung.

Das Stadtdekanat Frankfurt.

Das Zentrum Ökumene der ev. Kirchen in Hessen.

Anfahrt

ÖPNV: Vom Hbf mit der U4 bis „Bockenheimer Warte“. Mit der U7 bis Hausen (Endstation); Bus 72 oder 73 bis Haltestelle „Pflanzländer“ (2. Station). Nach 150 m rechts.

PKW: Am Nordwestkreuz auf die A66, Richtung Miquellallee, erste Abfahrt „Praunheim“, rechts in die Ludwig-Landmann-Straße, nach ca. 1 km rechts in die „Heerstraße“ nach ca. 1 km im alten Ortskern scharf rechts abbiegen (Schild: „Hausen“) in die Zielstraße, über die Praunheimer Brücke, nach ca. 200 m: links das Zentrum Ökumene. Parkmöglichkeiten vorhanden.

Markus Wriedt:
„Mit Gott für König und Vaterland!“
Wilhelminische Predigten in und um die Garnisonkirche.[1]

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1. Einleitung

Kirche und Krieg implizieren einen diametralen Gegensatz, einen kontradiktorischen Zusammenhang. Zumindest ist das im Bewusstsein zahlreicher Zeitgenossen so verankert. Friedensinitiativen, Mahnungen gegen Krieg und Gewalt stehen auf den Erwartungslisten der gegenwärtigen Predigthörerinnen und Hörer ganz oben. Zugleich wissen auch viele Menschen um den fatalen Zusammenhang von Religion und Gewalt. In der Diskussion der letzten Jahre ist dazu eine These intensiv bearbeitet worden, wonach der Exklusivanspruch monotheistischer Religionen in besonderer Weise zu unkontrollierbarer Gewaltanwendung Anlass gibt. In diesen Zusammenhang scheint die Tatsache zu passen, dass Geistliche im Krieg nicht nur die Soldaten im Gebet begleiteten und ihnen in schweren Stunden der Verwundung, Genesung oder auch des Sterbens beistanden, sondern ihnen noch vor der Schlacht den Segen und die Bewahrung Gottes zusprachen, die Waffen segneten und den Sieg als eine religiöse Pflicht formulierten. Doch ist unser Empfinden diesbezüglich gespalten: Für die einen ist dies die staatsbürgerliche Pflicht des sich loyal zu seiner Obrigkeit verhaltenden Pfarrers, für die anderen reine Gotteslästerung.

Geht man freilich nur wenige Jahre in der Geschichte zurück, scheint das Verdikt gegen die christlichen Institutionen und die von ihnen gut geheißene Gewalt bestätigt zu werden. Besonders für das Ende des Kaiserreiches und den ersten Weltkrieg wird den Kirchen und hierbei besonders den eng in die Legitimationsideologie des Kaisertums eingebundenen protestantischen Kirchen ist es offenkundig, dass der kirchlich getragene Militarismus sich in unheilvoller Weise mit Nationalismus, Kolonialismus und Imperialismus sowie einem grotesken Chauvinismus verband und entscheidend zur „Urkatastrophe der Menschheit“ beigetragen.

Die historische Kontinuität reicht noch sehr viel weiter: bis in die Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert zurück und in vielerlei Hinsicht auch noch darüber hinaus. Für die evangelischen Konfessionen gilt: Eng hatte sich die evangelische Reformation mit den säkularen Obrigkeiten verbunden und diesen mehr oder minder freie Hand bei der Durchsetzung moderner Staatlichkeit mit dem Segen Gottes gelassen. Aus der Interimslösung des sog. „Notbischofsamtes“ wurde das landesherrliche Kirchenregiment. Dass die so aufgewerteten Landesherren fernerhin das religiöse Argument auch zu politischen Zwecken gebrauchen würden, ist nicht weiter verwunderlich.  (mehr …)

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