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Michael Karg: Begrüßung

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Das Projekt Garnisonkirche
Welches Zeichen will die Evangelische Kirche hier setzen?

Ein Zwischenruf aus Potsdam
Potsdam 18.-19.03.17

 

 

 

500 Jahre Reformation.

500 Jahre Befreiung des Gewissens des einzelnen aus obrigkeitlich-klerikaler Gängelung.
500 Jahre Befreiung des Individuums zu selbstverantwortlichem Handeln.
500 Jahre Befreiung auch der Kirche von Autoritäten, denen es weniger um Glauben als mehr um ökonomische Interessen ging.

Wie frei ist die Kirche, die evangelische Kirche seit 500 Jahren?

In welche Abhängigkeiten ließ sie sich (doch) hineindrängen –

Welche hat sie gerne angenommen in der Hoffnung, ihrerseits davon zu profitieren?

Es gibt historische Momentaufnahmen, an denen einiges davon abzulesen ist. Der Tag von Potsdam vor beinahe 84 Jahren war ein solcher Moment.

Aber es geht nicht um Momente oder Augenblicksaufnahmen, auch nicht um „Ausrutscher“, die vielleicht mal passieren können.

Es geht um die Frage, welcher Geist zu diesem und anderen Ereignissen geführt hat, und welchem Geist in Kirche, will sie ernsthaft Kirche Jesu Christi sein, Raum geben soll und muss.
Es geht auch um die Frage, welche Bauten und Denkmäler dieser Kirche Jesu Christi angemessen sind.

Kirchen sind Kirchen, und Steine können nichts dafür, wenn sie missbraucht werden.

Pflastersteine können als solider Straßenbelag dienen – oder als gefährliche Wurfgeschosse.

Im Krieg oder danach zerstörte Schlösser und Kirchtürme können ein historisches Stadtbild wieder entstehen lassen, zur Freude der Erbauer und Betrachter und mit der besten Absicht, ihnen einen neuen Geist einzuhauchen.

Es kann aber auch geschehen dass ganz andere sich dieser „Fassaden“ bemächtigen, um in einer „erinnerungspolitischen Wende“ diesen Fassaden einen „neuen, ehrlichen, vitalen, tiefbegründeten und selbstbewussten Patriotismus“ einzuhauchen und die Heutigen „mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung (zu) bringen“ – so Björn Höcke in seiner Dresdener Rede. Kann man solch „feindlichen Übernahmen und Bemächtigungen“ verhindern, selbst wenn man es ehrlich will?

Es sind Fragen, die ich stelle, Fragen, die mich und viel andere hier bewegen.

Diesen Fragen wollen wir heute und morgen konzentriert nachgehen, im Hören, im Nachdenken im möglicherweise auch kontroversen Diskutieren.

Ich freue mich, dass Sie dies mit uns tun wollen und begrüße Sie noch einmal sehr herzlich im Namen der Veranstalter, der Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ und der Martin-Niemöller-Stiftung e.V..

 

Damit wir nicht wieder in die Irre gehen –
Szenische Lesung und Studientag

 

 

NiemöllerGottesdienst

Herzliche Einladung

Martin Niemöller, Mitbegründer der „Bekennenden Kirche“, der in der NS-Zeit zum politischen Widerspruch gegen NS-Unrecht fand und deshalb seit 1937 inhaftiert war, von 1941 bis 1945 im KZ Dachau, predigte am 30. April 1967 im Gottesdienst zur Einweihung der Versöhnungskirche (vgl. Foto). In einer Abendveranstaltung sollen in einer szenischen Lesung die damaligen Kontroversen um angemessene Gedenkstättenarbeit lebendig werden.

Beim Studientag geht es nach einem Stationenweg auf Niemöllers Spuren um seine selbstkritischen Reflexionen zur Schuldfrage. Für andere war und ist Dachau ein Ort des Märtyrergedenkens. Die katholische Kirche hat bisher 56 Dachau-Häftlinge zu Seligen erklärt und von vielen Protestanten wird Dietrich Bonhoeffer wie ein Heiliger verehrt. Wir fragen nach den Chancen und Risiken des Gedenkens an die Glaubenszeugen im KZ. 2015 gab es in Dachau eine Kontroverse, als „Christen an der Seite Israels“ zu einem „Marsch des Lebens“ auf den Wegen der Todesmärsche der KZ-Häftlinge aufriefen. Dabei sollte es neben dem Gedenken an die Opfer um Versöhnung zwischen Tätern und Opfern sowie um Solidarität mit dem Staat Israel gehen. Handelt es sich dabei um eine angemessene Lehre aus der NS-Vergangenheit oder um eine Instrumentalisierung der KZ-Opfer? Der Shoah-Überlebende Ernst Grube nimmt dazu Stellung. Abschließend stellen drei Vereinigungen ihre aktuelle Arbeit vor: die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V., der Dachauer Arbeitskreis Asyl und der Runde Tisch gegen Rassismus Dachau e.V.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Martin-Niemöller-Stiftung

Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau

Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau (mehr …)

Hermann Düringer:
„Laßt uns einen Turm bauen…“

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Ein Zwischenruf aus Potsdam –
Impulsreferat von Dr. Hermann Düringer anläßlich der Tagung „Das Projekt Garnisonkirche – welche Zeichen will die Evangelische Kirchen hier setzen?“ vom 18.-19. März 2017

Liebe Tagungsteilnehmende,

was treibt uns aus Frankfurt am Main und dem Rhein-Main-Gebiet zu dieser Tagung nach Potsdam? Ein Kirchturm soll wieder aufgebaut werden, vielleicht sogar eine ganze Kirche. Das könnte ein lokal oder regional aufregendes Vorhaben sein. Aber es geht um die Garnisonkirche, und die, die solches vorhaben, erklären es – zu Recht – zur nationalen Angelegenheit. Ich will einige theologische und politische Motive benennen, die auch 500 km entfernt unsere Kritik am Wiederaufbau der Garnisonkirche, bzw. ihres Turmes hervorrufen. Ich hoffe, dass sie den Horizont für weitere gemeinsame Überlegungen eröffnen.

Ich nehme Bezug auf eine Urgeschichte der Menschheit, die uns im Alten Testament, der Hebräischen Bibel überliefert ist. Ich setzte die Geschichte vom Turmbau zu Babel als bekannt voraus. In ihr heißt es:

„Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“ (Gen. 11,4)

Wer immer in der Kirche einen Turm bauen will, sollte sich der biblischen Geschichte vom Turmbau zu Babel erinnern. Er sollte sich befragen und wenn er selbst es nicht tut – befragen lassen nach den Motiven seines Handelns – und er sollte auf den Ausgang des Unternehmens schauen.
Wir wissen, dass dieser Turm – die Archäologen nennen ihn Zikkurat – ein durch und durch religiöses Bauwerk war – was aber – wie die biblische Geschichte vermerkt – keineswegs per se bedeutet, dass es ein gottgefälliges Bauwerk war. Wir lernen aus dieser Geschichte, dass auch religiös motivierte Türme Ausdruck eines Irrwegs und menschlicher Hybris sein können. Eine Hybris, in der Menschen ihre Geschichte in die Hand nehmen wollen – und sie verfehlen. (mehr …)

Manfred Gailus:
1933 als protestantisches Erlebnis
und der „Tag von Potsdam“

 

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Vortrag von Prof. Dr. Manfred Gailus anläßlich der Tagung „Das Projekt Potsdam -Welches Zeichen will die Evangelische Kirche setzen?“ am 18./19. März 2017 in Potsdam 

 

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der „Tag von Potsdam“, der sich in drei Tagen zum 84. Male jährt, war keine singuläre Entgleisung der Kirchen im fatalen Jahr 1933. Allenthalben war Hitlers Weltanschauung präsent in den Kirchen von 1933. Aber ein Alleinstellungsmerkmal hatte die kirchliche und zugleich hochgradig symbolpolitische Zeremonie vom 21. März 1933 in der Potsdamer Garnisonkirche doch: Es handelt sich um die einzige Kirche während der 12jährigen Nazi-Herrschaft, in der Hitler selbst eine Rede hielt. Gepriesen wurde der neue katholische Reichskanzler vielfach in den evangelischen Kirchen von 1933: Sehr häufig waren braune Uniformen und NS-Symbole wie das Hakenkreuz in Kirchen und Gemeindehäusern zu sehen; und gesungen wurden nicht nur Kirchenlieder, sondern nicht selten auch das Horst-Wessel-Lied. Gelegentlich befand sich am Altar neben dem Gekreuzigten auch ein Porträt Hitlers, den Angehörige der Deutschen Christen als einen von Gott gesandten Retter der Deutschen auch in Kirchen verehrten. Aber dass Hitler selbst eine Ansprache halten konnte in der Kirche – das kam, soweit bekannt, nur ein einziges Mal vor im „Dritten Reich“, eben an jenem denkwürdigen Tag in der Potsdamer Garnisonkirche, die nun, nach ihrer Zerstörung in Hitlers Krieg, erneut aufgebaut werden soll. (mehr …)

Matthias Grünzig:
„Der Geist von Potsdam“ gegen den „Geist von Weimar“

 

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Matthias Grünzig, Für Deutschtum und Vaterland. Die Potsdamer Garnisonkirche im 20. Jahrhundert. Berlin 2017
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Vortrag auf der Tagung „Das Projekt Garnisonkirche“ in Potsdam am 18.3.2017

 

Die Potsdamer Garnisonkirche ist durch den „Tag von Potsdam“ weltbekannt geworden. Weniger bekannt ist, dass die Garnisonkirche schon vor 1933 eine deutschlandweite Bedeutung hatte. Sie übte eine geradezu magnetische Anziehungskraft auf Nationalisten, Militaristen und Antisemiten aller Couleur aus. Mehr noch: die Potsdamer Garnisonkirche war der Symbolbau der extremen Rechten schlechthin. Hier fanden zwischen 1918 und 1933 über 80 politische Veranstaltungen statt, fast alle hatten eine rechtsradikale Tendenz.[2] Kaum ein Gebäude wurde so verehrt wie die Potsdamer Garnisonkirche. Sie galt als „heiliger Ort der Erinnerung“, als „Heiligtum Preußen-Deutschlands“, als „nationales Heiligtum für jeden Preußen“, als „Wallfahrtsort aller national denkenden und fühlenden Kreise“, als „Wallfahrtsort von Millionen Deutscher“ und als „Pilgerstätte“, in der „die vaterländisch gesinnten Kreise sich Stärkung für den Kampf um das echte Deutschtum suchen“.[3] Ich will in meinem Vortrag darstellen, weshalb gerade die Potsdamer Garnisonkirche diese Karriere machte und welche Konsequenzen daraus erwuchsen. (mehr …)

Christoph Dieckmann:
Menschentürme, Gottes Haus

Predigt über Genesis 11, 1 – 9 (Französische Kirche Potsdam, 19. März 2017) / Von Christoph Dieckmann

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1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.
2 Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Sinear und wohnten daselbst.
3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laßt uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel
4 und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.
5 Da fuhr der Herr hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, den die Menschenkinder bauten.
6 Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
7 Wohlauf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des anderen Sprache verstehe!
8 So zerstreute sie der Herr von dort in alle Länder, daß sie aufhören mußten, die Stadt zu bauen.
9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.

Im Herbst 1962 hörte ich erstmals vom Bauskandal zu Babel. Das geschah im Christenlehre- Unterricht, aus dem Mund der Katechetin. Fräulein Bosse, eine milde Gottesfreundin, reportierte uns Dorfkindern alles biblische Geschehen mit heilsgeschichtlicher Zuversicht, auch die Kriege und Katastrophen des Alten Testaments. Erst in der Vorwoche hatte Gott, aus Zorn über die mißratene Menschheit, fast seine komplette Schöpfung ersäuft. Begnadigt und per Arche gerettet wurde lediglich die fromme Familie Noah, dazu je ein Ehepaar der Tierwelt, zwecks Aufzucht einer besseren Erdpopulation. Eine abscheuliche Methode. Weshalb mußten Tiere für Menschensünden sterben? Warum Hirsch, Igel und Giraffe, doch nicht die Fische? Und wieso empfand der unfehlbar vollkommene Gott hernach Reue über die eigene Raserei? Denn nun beschloß er, nie wieder eine Sintflut zu schicken – nicht im Vertrauen auf humanen Fortschritt, sondern weil er seine Illusionen aufgegeben hatte. Die Menschen würden bleiben, wie sie waren: lasterhaft, machtbesessen, gottesfern. So kommt es, wenn man freie Wesen schafft.  (mehr …)

„….. im Schatten der Garnisonkirche“ – Potsdamer Erklärung

2017-03Potsdamer Erklärung zur Abrüstung_19.3.2017Anläßlich der Tagung „Das Projekt Garnisonkirche – Ein Zwischenruf aus Potsdam“ am 18./19. März stellte die Martin-Niemöller-Stiftung die „Potsdamer Erklärung“ zur Sicherheitspolitik und Abrüstung vor.

Download:

2017-03PotsdamerErklaerung

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Potsdamer Erklärung
der Martin-Niemöller-Stiftung


Herr Trump, bitte halbieren Sie den Rüstungsetat der USA!

Der amerikanische Präsident Trump plant die Anhebung des US-Rüstungshaushalts um 54 Milliarden Dollar. Das wären fast 10% des derzeitigen Budgets. Nach seinen Aussagen müssen die USA in der Lage sein, „Kriege wieder zu gewinnen“.

Präsident Trump fordert gleichzeitig die europäischen Mitglieder der Nato auf, ebenfalls ihre Militärausgaben zu erhöhen. Es gibt vorsichtig zustimmende Reaktionen auf seine Vorschläge, allerdings keinen deutlichen Widerspruch.

Im Jahr 2015 gaben die USA 640 Milliarden US-Dollar für Rüstung und Militär aus, das waren 36 % der weltweiten Rüstungsausgaben. Addiert man die Rüstungsausgaben der USA und ihrer Nato-Partner, so ergeben sich 50% der weltweiten Rüstungsausgaben, und dies seit Jahren. Der russische Militärhaushalt umfasst demgegenüber zum Beispiel rund 10% der Nato-Aufwendungen, 5% der Weltrüstungsausgaben – wobei wir wissen, dass auch mit diesen im Vergleich geringeren Militärausgaben verheerende Militäraktionen wie z.B. in der Ostukraine oder in Syrien durchgeführt werden können.

Dennoch gibt es keine militärische Sicherheitslücke für die USA, für Europa, für Deutschland. Im Gegenteil: Die militärische Komponente ist im Set der Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere gegenüber dem Terrorismus, zu hoch bewertet. Folglich fehlen notwendige Mittel für die Ursachenbekämpfung und für die polizeiliche Abwehr.

Deshalb erklärt die Martin-Niemöller-Stiftung:

Herr Trump, bitte halbieren Sie den Rüstungsetat der USA!
Mr. President, please cut the US military budget by 50%!
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