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Zur Geschichte christlicher Gewalt

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Von Martin Stöhr

Vortrag vom 3. April 2005 in Jerusalem vor The Israel Interfaith Association und Konrad Adenauer Stiftung

I

Heidnische Kritik am Christentum sagt: Das Christentum ist staatlich unzuverlässig, weil es eine absolute und kritische Autorität jenseits der kaiserlich-göttlichen Autorität und jenseits der polytheistischen Gewalten anerkennt – den einen Gott Israels und der Völker. Dadurch ist gegenüber allen anderen Mächten jede absolute Loyalität der an diesen Gott Glaubenden gebrochen.

Ein Kritiker des Judentums und des Christentums, der neuplatonische Philosoph Kelsos, wirft um 180 n. Chr. dem Christentum vor, es sei „jüdischen, also barbarischen Ursprungs“. Zwar seien die „Barbaren imstande Lehren aufzustellen, aber die Griechen seien (ihnen) überlegen, solche Lehren zu beurteilen, zu begründen und in die Praxis umzusetzen.“ Kelsos beruft sich auf Platon, wenn er darauf hinweist, dass jede geoffenbarte Religion auf eine alte Weisheit zurückgehe und „stets von den weisesten Völkern und Städten und von weisen Männern festgehalten“ wurde. Seine Lehre habe „auch Moses bei weisen Völkern und berühmten Männern vorgefunden und sich angeeignet.“ So gewiss Kelsos eine unnennbare, oberste Gottheit als Grund aller Wahrheit anerkennt, so wichtig ist ihm die göttliche Würde des Kaisers. Daraus folgert er: Was ist denn Schreckliches dabei, unter den Menschen dem Kaiser einen Eid zu leisten? „Ist diesem doch die Herrschaft auf Erden verliehen, und was du im Leben empfängst, empfängst du von ihm!“ Wenn diese göttliche, zentrale Macht des Kaisers nicht anerkannt werde, dann wird das „gesamte Erdreich von den wildesten und gesetzlosesten Barbaren beherrscht.“ Dann erinnert Kelsos an die Ohnmacht des einen Gottes den Juden und Christen anrufen. Ihr Gott helfe ihnen nicht. „Statt Herren der ganzen Erde zu sein, ist jenen (d.h. den Juden) nicht ein Stück Land, ja nicht einmal ein Herdfeuer geblieben, während sich von euch (d.h. den Christen) zwar noch immer der eine oder andere versteckt hält oder flüchtig ist, aber sicher bald aufgespürt und der Todesstrafe zugeführt wird.“[1] Nach dem römischen Grundsatz „do ut des“ zahlt Religion sich auch in Erfolg und Machtgewinn aus.  (mehr …)

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